Harry Styles ist androgyn bis zum Gehtnichtmehr, seine Outfits sind irgendwas zwischen superschräg und supercool. Cool ist sowieso das Stichwort bei unserem Harry Superstar.
Wie hetero ist Harry Styles wirklich? Der englische Popsuperstar lässt sich in Sachen Sexualität weiterhin nicht komplett in die Karten schauen.
Text Steffen Rüth
Harrys ominöse Boyfriends Seit er beim Coachella-Festival in der kalifornischen Wüste diesen einen Song von seinem herrlichen Album «Harry’s House» spielte, dreht sich das Phantasiekarussell der Fans wieder ein paar Umdrehungen schneller. «Boyfriends» heisst das Lied, und Harry singt Zeilen wie «Boyfriends! They think you’re so easy/ They take you for granted/ They don’t know they’re just misunderstanding you».
Harry klebt an uns Berichtet der 28 Jahre alte Pop-Darling hier etwa von seinen persönlichen Erfahrungen mit Jungs-Beziehungen? Oder spricht er anderen Männern und Frauen aus der Seele, wenn er erzählt, dass so ein Boyfriend auch ganz schön kompliziert sein und sich dümmlich aufführen kann?
Oder in «Daylight», einem anderen neuen Song, auch wieder so ein lyrisch-lasziver Moment. «You be the spoon/ Dip you in honey/ So I can be sticking to you». Eine leicht schräge Metapher vielleicht, aber wer wäre denn nicht gerne der honiggetränkte Löffel, an dem ein Harry Styles klebenbleibt?
Harry hat es wirklich perfektioniert, dieses inklusive Spiel mit der Imagination, mit diesem belebenden Gedanken «Wer weiss, wer weiss, vielleicht haben ja wirklich nicht nur Frauen eine Chance bei ihm» – derzeit freilich ist Styles mit der Regisseurin Olivia Wilde liiert, die beiden lernten sich vor anderthalb Jahren am Set des unheimlichen Psychothrillers «Don’t Worry Darling» kennen, in dem Harry Styles neben Florence Pugh die Hauptrolle spielt.
Harry mag keine Labels Fragt man Harry selbst nach seiner Sexualität, so wie jetzt das britische Magazin «Better Homes and Gardens», dann bekommt man eine Antwort, die alle Eventualitäten offenlässt. Er finde es «nicht mehr zeitgemäss», sagt Styles, seine Sexualität zu definieren. «Ich bin wirklich offen zu meinen Freunden, aber wir sprechen hier über sehr persönliche und private Erfahrungen. Diese Dinge gehören nur mir». Klar, er möchte sein Privatleben so gut es geht beschützen. Aber er sagt auch: «Insgesamt bewegen wir uns immer mehr in einem Umfeld, in dem es keine Rolle mehr spielt, was du bist oder wie du dich siehst. Wir gehen mit grossen Schritten in Richtung Akzeptanz. Warum muss man denn auch überall ein Label draufkleben oder klarstellen, zu welchem Lager man sich zählt?» Wo es doch schliesslich auch möglich ist, das Lager zu wechseln oder wenigstens hin und wieder über den Zaun zu schauen.
Vom Casting-Sternchen zum Superstar Harry Styles ist zurzeit der wohl begabteste und überhaupt tollste Popkünstler der Welt. Mit 16 verliess er das Elternhaus im Norden Englands, sang in der Castingshow «The X Factor» vor und landete mit vier anderen Teenagern in der Boygroup One Direction. Von Anfang an stach er mit seinem schelmisch-niedlichen Charisma aus der Truppe heraus. Das System Boyband ist allerdings auch eine echte Tretmühle. Immer ist man unter Druck, nie unbeobachtet. Harry war in dieser Zeit kurz mit Taylor Swift zusammen, doch sein Sexleben sei mehr oder weniger per Vertragsklausel geregelt, sprich unterbunden, gewesen. «Ich habe mich dafür geschämt, dass die Leute wissen, dass ich Sex habe», sagt er rückblickend. «Noch dazu, mit wem.» Unter diesem Brennglas herauszufinden, wer man wirklich sei, komme einer Tortur gleich.
Nach One Direction startete Harry durch Nach vier supererfolgreichen und insgesamt
70 Millionen Mal verkauften Alben liegt One Direction seit 2016 auf Eis, doch Harry drehte nahtlos solo auf, nun ohne Antisexklauseln. 2017 veröffentlichte er das Debütalbum «Harry Styles» mit dem grossartigen, an Freddie Mercury, Elton John und Prince gleichzeitig erinnernden «Sign of the Times». 2019 kam die supersexy Platte «Fine Line» mit weiteren Hits zum Dahinschmelzen, nehmen wir nur «Adore You» oder das sinnlich-fröhliche «Watermelon Sugar».
Ein humorvoller junger Gentleman Und es sind ja längst nicht nur seine Songs, mit denen er die Herzen erreicht, bisweilen auch bricht. Der Junge selbst ist, nach allem, was man so mitbekommt, tatsächlich ein feiner Kerl. Höflich, galant, humorvoll. Es ist sehr schwer, ihn nicht zu mögen. Der Mann hat diese besonders einnehmende Aura, dass man mit ihm nicht nur die Nacht, sondern mindestens mal das komplette Wochenende verbringen will.
Abgehärteter Schwimmer Täglich, auch wenn es kalt ist, geht Harry Freiwasserschwimmen, gern in einem der Lidos in Hackney oder Hampstead (Styles lebt, seit er 18 ist, in einem Haus im Norden Londons, seine Bude in Los Angeles hat er wieder verkauft). Irgendwelches Theater um seine Person macht er dabei nicht, im Schwimmbecken sind alle gleich. Im Zeitalter der sogenannten toxischen Männlichkeit ist Harry Styles der vielleicht ungiftigste junge Mann, den man sich überhaupt vorstellen kann.
Spitzenkleid, Make-up und Nagellack Verspielt wie ein kleiner, verschmitzter Kater ist er noch dazu. Harry hat sichtlich Spass daran, die Linien zu verschieben, sie zu verwischen. Gerade auch in der Mode. Als er im Dezember 2020 im blassblauen Spitzenkleid mit schwarzen Bordüren – entworfen von seinem guten Freund Alessandro Michele («Harry erinnert mich an einen jungen griechischen Gott mit der Attitüde von James Dean und Mick Jagger»), dem Creative Director von Gucci – auf dem Cover der amerikanischen Vogue auftauchte, war das eine der Top-Meldungen des Tages.
High Heels und Perlenketten Ein Mann in Frauenkleidern, ja Herrschaftszeiten noch mal, es gab einen gehörigen Aufruhr, und Styles selbst amüsiert sich bis heute über den Coup, der aus seiner Sicht ja eigentlich gar keiner ist. «Mode bedeutet für mich die Lust am Experimentieren. Sie soll Spass machen. Mode ist ein Spiel. Glücklicherweise bröckeln die Grenzen so langsam weg, und ich habe ohnehin nie verstanden, warum es Kleidung nur für Männer oder Kleidung nur für Frauen gibt.» Und ein Kleid anzuziehen bedeute nicht, dass man deswegen weniger Mann sei. Schon als Junge habe er liebend gern den Inhalt des Kleiderschranks seiner drei Jahre älteren Schwester Gemma anprobiert. Auch Ohrringe oder eine Perlenkette trägt er sehr gern.
Als Co-Gastgeber der 2019er «Met Gala» (Motto: «Notes on Camp») trug Harry ein hinreissendes schwarzes Gucci-Outfit mit High Heels und durchsichtiger, die Tattoos betonender Bluse, dazu
lackierte Fingernägel. Harrys persönlicher Stylist, Harry Lambert, ist mittlerweile selbst eine kleine Berühmtheit. «Ich empfinde es als wunderbar lustvoll, mit Mode zu experimentieren», sagt Styles. «Warum sollten wir uns denn nicht auch so ausdrücken können, wie wir möchten und wie wir uns fühlen?» Alessandro Michele sagt: «Die Mode ist Harrys Spielplatz».
Der nette Mister Styles In den letzten zwei Jahren hat Harry Styles nicht nur – zusammen mit seinen Stammkollaborateuren Thomas Hull, Tyler Johnson und Kid Harpoon – am neuen Album gearbeitet, sondern auch an sich selbst. Er mache Pilates, und zweimal täglich ziehe er sich zur Meditation zurück. «Mir ist es wichtig, ein empathischer und zugänglicher Mensch zu sein», sagt Harry Styles. Da pandemiebedingt ja sonst wenig ging, betrieb er zudem eine deutlich intensivere Nabelschau als üblich. «Wenn du Zeit hast, fängst du an, über dich selbst nachzudenken. Ich kam mit 16 in diese Branche, alles ging immer Schlag auf Schlag, ohne Pause. Lange Zeit quälte ich mich mit Unsicherheiten, und ich musste erst einmal herausfinden, wer ich überhaupt bin – wohlgemerkt als Mensch, nicht als Popstar. Das war für mich ein sehr kostbarer Prozess, der mich ein Stück weit befreit hat.»
«As it Was», die grandiose, trotz aller 80er-Einflüsse von A-ha bis Depeche Mode sehr zeitgemäss klingende Single, erzählt in verletzlich-emotionalen Worten von dieser Reise ins Innere seiner selbst. Was er dort genau gefunden hat? Harry lächelt und bleibt vage. «Ich habe mich definitiv besser kennengelernt.»
«Ich habe nie
verstanden, warum es Kleidung nur für
Männer oder Kleidung nur für Frauen gibt»
Harry als
schwuler Polizist
In seinem Film «My Policeman» spielte Harry Styles einen mit einer Frau verheirateten, schwulen Polizisten, der heimlich einen Museumskurator liebt. Der Streifen ist künstlerisch ähnlich anspruchsvoll und verführerisch gefilmt wie «Brokeback Mountain» oder «Call Me By Your Name». Die lustvollen Spekulationen über Harry Styles’ sexuelles Spektrum können jedenfalls fröhlich weitergehen.