Gegen den Strich

Der Schweizer Joshua Amissah zeigt in seinem Buch «Black Masculinities» Bilder von verletzlichen und schillernden Schwarzen Männlichkeiten, die gängigen Klischees widersprechen. 

Joshuas andere Sicht

Joshua Amissah wurde 1995 in der Schweiz geboren und schloss die Zürcher Hochschule der Künste mit dem Förderpreis Design ab. Darauf folgten diverse Engagements bei «Vogue» Germany, Schauspielhaus Zürich, documenta fifteen sowie Ausstellungsbeteiligungen
im Aargauer Kunsthaus und im Museum für Gestaltung Zürich. 

Mit seinem Fotografieband «Black Masculinities» stellt er gängige Vorurteile von Schwarzer Männlichkeit in Frage. Dafür wurde er vom Bundesamt für Kultur für den Swiss Design Award nominiert. DISPLAY hat mit Joshua über seine persönlichen Erfahrungen mit Diskriminierung und die Motivation für seine Projekte gesprochen.

Interview Christian Gersbacher


Joshua Amissah: Ich habe unsere Publikation damals vor allem aus einer intrinsischen Motivation heraus konzipiert. Vermutlich waren es primär persönliche Erfahrungswerte aus verschiedenen Lebensphasen, in denen ich meine eigene Positionierung und Identität als queerer Cis-Mann in einer Nicht-Schwarzen Mehrheitsgesellschaft nicht nur mit mir selbst, sondern alltäglich auch mit meinem Umfeld neu verhandeln musste. Das beginnt bei Ausgrenzungserfahrungen im Kindergarten und der Faszination, die Mamas roter Lippenstift auf mich ausübte, und endet in der Gegenwart, wo das unscheinbare Grossmütterchen im Zürcher Tram gerade erst gestern noch hektisch nach ihrer Tasche griff, sobald ich an ihr vorbeilief. Als Schwarze und männlich gelesene Person gelte ich historisch und kulturell als potentielle Gefahr – das geht unter anderem zurück auf eine lange Geschichte der Misrepräsentation in der visuellen Kultur. 

Besonders bedeutet es für mich, dass die eigene Identität unabhängig von vermeintlich traditionellen Denk- und Verhaltensweisen ausgelebt werden kann. Was es aber für mich und die 22 teilnehmenden Fotograf*innen letzlich wirklich bedeutet, lässt sich nicht nur auf eine Aussage reduzieren und lässt sich am besten auf den 320 Seiten unseres Buches nachvollziehen. 



Was hat für dich als junger Mann Männlichkeit bedeutet? 

Männlichkeitsbilder waren für mich stark geprägt von Eigenschaften wie Stärke, Unverwundbarkeit, Dominanz und einem unrealistischen Verständnis von Tapferkeit. Als Kind habe ich sehr viel gelesen und mich damals schon gefragt, wieso die verträumte Prinzessin täglich ihr schönes blondes Haar kämmt und wieso der kühne Ritter aggressiv irgendwelche Feinde mit dem Schwert aufspiessen muss. Diese Rollenbilder gingen dann auch später so weiter von klassischer Literatur über Werbespots bis hin zu Musikvideos, in denen besonders Schwarze Rapper als angsteinflössende Machos auftreten und Frauen nur objektifiziert wurden.

Irgendwann haben diese geschlechterspezifischen Normen für mich keinen Sinn mehr ergeben und ich habe mir im Alter von elf Jahren die Haare grün gefärbt, Mamas Make-up gestohlen und mir geschworen, mir selbst immer treu zu bleiben. Auch ganz unabhängig von dieser Rebellion und meiner kulturellen Herkunft denke ich, dass es viele junge Männer gibt, die bewusst oder unbewusst an Männlichkeitsnormen leiden. 

Kunst als Medium manifestiert sich in vielfältigen Formen und oft erkundet sie auch die intimen und
persönlichen Ebenen von Kreativschaffenden. Dadurch gewährt sie einen Einblick hinter viel-
schichtige Fassaden, die einem sonst verborgen bleiben würden. Mit künstlerischen Ausdrucksformen können auch Aspekte vermittelt werden, für die Worte oder didaktische Erklärungen oftmals nicht ausreichen. Das kann einen Teil dazu beitragen, Stereotype und gesellschaftliche Normen neu zu denken. 

Ich verstehe Kunst mit queerer Thematik nicht nur als ästhetisches Phänomen, Theorie oder Weltanschauung. Vielmehr ergründet sie sich mir als politischer Kampf zur Beendigung der gesamtgesellschaftlichen Unterordnung von queeren Menschen auf allen möglichen Ebenen. Sei das physisch, wirtschaftlich, politisch, psychisch oder sexuell. Oft geht es bei der Darstellung queerer Themen darum, Grenzen zu verschieben, das Fluide mit einer neuen Subjektivität zu ergründen und die Selbstwahrnehmung zu erweitern. Ich wünsche mir, dass sich die globale Aufmerksamkeit noch mehr auf diese Perspektiven richtet. 



Ich war ermüdet von den elitären Strukturen des Kunstumfelds, und gerade normative Galerieräume neigen dazu, das absolute Konglomerat einer Vielzahl von Mechanismen zu sein, die von nicht-progressiven Machtstrukturen, Vetternwirtschaft, ausschliessendem Verhalten und einem allgemeinen Mangel an Repräsentation in vielerlei Hinsicht genährt werden. Deswegen möchte ich mit GAZE CONTEMPORARY einen diskursiven Ort schaffen, an dem viele talentierte und unterrepräsentierte Künstler*innen gezeigt werden, deren Kunstwerke auch finanziell für ein grösseres Publikum zugänglich sein sollen. So habe ich vom Z-Kubator und der Zürcher Kantonalbank letztes Jahr eine Förderung erhalten, die es mir möglich macht, mich intensiv mit der Konzeption einer jungen Galerie auseinanderzusetzen. Gestartet haben wir zusammen mit 66 internationalen Künstler*innen, mit denen wir für einen guten Zweck limitierte Prints verkauft haben. Ich war total überwältigt, denn wir haben schon nach 3 Tagen einige Hundert Prints verkauft und planen nun die nächsten Schritte. 


Werke aus dem Buch «Black Masculinities».