Hallo Tim
Demnächst muss ich in die RS. «Geil!» finden meine schwulen Freunde das und schwärmen von Military-Pornos. Doch ich habe riesige Angst vor dem Militär. Wie komme ich bloss davon weg? Ariel (19)
Hallo Ariel
Geilen Sex in der Armee, den gibt’s wohl tatsächlich nur in einschlägigen Pornos oder in der Wunschfantasie von so manchem schwulen Mann. Ansonsten aber haben gleichgeschlechtlich Liebende noch immer mit diskriminierenden Sprüchen und Ablehnung zu rechnen, wenn ihre sexuelle Orientierung im Dienst bekannt wird. Zwar ist Homosexualität heute kein Ausschlussgrund mehr für das Militär, was auch gut und richtig ist. Doch offen schwul zu leben, wagen nur die Wenigsten. Die Mehrheit schützt sich durch Verschwiegenheit, andere wiederum täuschen gar eine «ganz normale» heterosexuelle Fassade vor, um ja keinen Verdacht aufkommen zu lassen.
Gefangen in der Machowelt | Es ist ja tatsächlich nicht einfach, sich zu positionieren, wenn scheinbar alle – neben schnellen Autos und Fussball – andauernd von heissen Frauen schwärmen. Wie erreiche ich, dass es für mich selbst stimmig ist, ohne dass ich mich zwangsläufig outen muss? Im Militärdienst dürfen Schwule offiziell zwar nicht diskriminiert werden. Doch ein omnipräsenter Machismus – mit vielerlei heterosexistischen Blüten – prägt auch heute noch den Alltag in den meisten Einheiten.
«Im Militärdienst dürfen Schwule offiziell nicht diskriminiert werden. Doch ein omnipräsenter Machismus prägt auch heute noch den Alltag in den meisten Einheiten»
Wenn du also fragst, wie du vom Militär wegkommst, dann stellt sich diese Frage gleich in doppelter Hinsicht. Möchtest du von den Ängsten oder vom Militärdienst loskommen?
Ängste hinsichtlich körperlicher oder seelischer Erschöpfung teilst du wohl mit vielen anderen. Darin unterscheiden sich Hetero-Wehrmänner nicht grundlegend von schwulen. Bei Letzteren kann aber als wichtige Komponente Angst vor homophober Diskriminierung hinzukommen.
Damit umzugehen bedarf eines sehr guten Selbstwertgefühls. Verfügt man darüber, kann einen auch kein feindseliger antischwuler Spruch treffen. Wunderbar! Oder aber man beherrscht die Klaviatur der Anpassung ans «Normale» so gut, dass man sich dahinter verstecken kann. Dies allerdings ist weit suboptimaler, kostet viel Energie und fordert damit permanent einen hohen Preis ein.
Wenn die Angst zu gross ist | Wer weder unverletzbar noch Anpassungsweltmeister ist, dem bleibt die Möglichkeit, seine psychische Diensttauglichkeit von einer Fachperson begutachten zu lassen und so gegebenenfalls keinen Dienst (mehr) leisten zu müssen. Das ist durchaus eine legitime Option, wenn die Ängste das Mass des Erträglichen überschreiten. ||
Herzlich, Tim
Tim Wiesendanger steht dir für Fragen gerne zur Verfügung.
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