Tanz in die Freiheit

Gender und Identität sind Themen des queeren Tänzers Neil Höhener. DISPLAY hat mit dem fluiden Künstler über sein abendfüllendes Solo-Stück «An Act» gesprochen.

 


Text Rico Schüpbach, Bilder Ronja Burkard, Daniel Kunz (Portrait)

DISPLAY: Neil, worum geht es in deinem Solostück «An Act»?

Neil Höhener: Um die Suche nach Freiheit. Ich möchte mich von den Kategorisierungen und Stereotypen befreien, die die Gesellschaft auf Menschen projiziert. Ich strebe eine Undefinierbarkeit an – mich interessiert die Ambivalenz von aufeinanderprallenden Welten.

Was meinst du mit Undefinierbarkeit?

Es geht um etwas, das undefinierbar ist und bleibt – wenn man etwas spürt, es aber nicht konkret beschreiben kann. Ich möchte, dass mein Stück Fragen aufwirft.

Dein Stück ist autobiografisch.

Ja, Gender und Identität sind Themen, die präsent sind. Mein Körper und die Art, wie ich mich bewege, sind fluid und können sowohl als maskulin, feminin oder auch abstrakt gelesen werden. Körper müssen nicht definiert werden – damit spiele ich.

© Ronja Burkard

Was bedeutet Tanz für dich?

Tanz ist für mich sehr wichtig, es ist etwas sehr Intuitives. Ich tanze, seit ich sechs Jahre alt bin. Das Physische steht im Zentrum. Ich lade das Publikum ein, dies mitzuerleben. Das ist die Kraft des Tanzes. Im Gegensatz zu Sprache, die natürlich auch ambivalent gelesen werden kann, ist Tanz enorm fluid und nicht greifbar. Im grösseren Kontext geht es um Menschsein und Körper.

Du bist in Mexiko-Stadt geboren. Was verbindet dich mit dem Land?

Ich bin in Arbon am Bodensee aufgewachsen. Mexiko spielt jedoch eine wichtige Rolle in meinem Leben, da meine Mutter von dort stammt. Zuhause habe ich Spanisch und Deutsch gesprochen. Meine Verbindung zu Mexiko ist sehr präsent; die Familie mütterlicherseits lebt dort, und ich versuche, sie jeden Sommer zu besuchen. Familie hat in der mexikanischen Kultur eine grosse Bedeutung, daher habe ich eine sehr emotionale Verbindung zu Mexiko. Mein Wunsch ist es, meine Kunst auch dorthin zu bringen.

Im Stück kommen verschiedene Facetten meiner Person zum Vorschein: einerseits mein Hintergrund aus Mexiko und der Schweiz, mein Sein als androgyner Mensch und als queere Person. Auch Künstler*innen, die mich inspirieren, spielen eine wichtige Rolle.

Welche Künstler*innen inspirieren dich persönlich?

Da gibt es viele. Musiker*innen, Filmdirektor*innen oder auch Modeschaffende.  Lana Del Rey inspiriert mich, weil sie Nostalgie und etwas Traumhaftes verkörpert – eine wahre Ikone.

Lana Del Rey verkörpert definitiv einen gewissen Mood.

Ja, ich mag das sehr. Sie entführt uns in eine Welt, die losgelöst von der realen Welt existiert. Das versuche ich auch mit meinem Stück zu erreichen und hoffe, dass ich das Publikum auf diese Reise mitnehmen kann.

Siehst du deine Arbeit auch als politisch?

Körper auf der Bühne zu sein, ist an sich ein politisches Statement. Ich gehe von meiner Person aus und was mich interessiert; dadurch hoffe ich, einen Dialog zu eröffnen. Für mich ist es viel aussagekräftiger, wenn etwas offenbleibt oder das Publikum mit Fragen nach Hause geht – Dinge sind nicht schwarz und weiss. Ich habe selbst viele Antworten nicht.  

© Ronja Burkard


Tour: 

17./18./19.10.2024  |  Tanzhaus Zürich

24.10.2024  |  Phönix Theater Steckborn

03.11.2024  |  Bachturnhalle Schaffhausen

13. bis 23.08.2025  |  Paula Festival St.Gallen