Mit «Queer» gab es einen ersten schwulen Paukenschlag im Kino. In den kommenden Monaten stehen vielversprechende Titel am Start. Auch eine neue Version von «Kiss of the Spider Woman» und «The Wedding Banquet» ist zu sehen. Zudem gibt es ein Wiedersehen mit Rupert Everett und Paul Mescal. Hier ein Überblick über die Top 20 der queeren Filme, auf die man sich 2025 freuen kann.
Ganz besonders erfreulich: Sechs dieser Perlen, nämlich BABY, DREI KILOMETER BIS ANS ENDE DER WELT, NIGHT STAGE, HIGH TIDE, THE WEDDING BANQUET und THE ASTRONAUT LOVERS werden am Filmfestival Pink Apple gezeigt.
Von Dieter Osswald
Zürich: 29.4.- 8.5.25
Frauenfeld: 9.5.-11.5.2025

Gotteskinder
Knallhartes «Konversions»-Drama über einen sensiblen Teenager aus einer streng religiösen Familie, der Gefühle für seinen Mitschüler entwickelt. Bei einem «Seelsorge-Seminar» soll er sich von seiner Homosexualität «heilen» lassen. Der Psychoterror der bigotten Hassprediger wird fatale Folgen haben.
Gut recherchiert. Gekonnt erzählt. Darstellerisch ist das Debüt eine Wucht. Mark Waschke sorgt als verbissener Jesus-Jünger für Gänsehaut, während der 2006 geborene Hauptdarsteller Serafin
Mishiev, zuletzt im ARTE-Sechsteiler «Nackt über Berlin» zu sehen, eine eindrucksvolle Vorstellung als verunsicherter, schwer verknallter Teenager gibt. Mit gewohnter Lässigkeit präsentiert sich «Druck»-Star Michelangelo Fortuzzi als rebellischer Nachbarsjunge der sensiblen Art.

Miséricorde
Für «Der Fremde am See» wurde Alain Guiraudie vor zehn Jahren mit der Queer Palm ausgezeichnet. Im Vorjahr wurde dort auch sein jüngstes Werk gefeiert. In der Thriller-Komödie «Miséricorde» kehrt Jérémie in seinen Heimatort Saint-Martial zurück, um an der Beerdigung des Dorfbäckers Jean-Pierre teilzunehmen. Als Teenager war Jérémie dessen Lehrling – und wohl noch mehr. Von Vincent, dem latent gewalttätigen Sohn des Verstorbenen, wird er mit Argwohn empfangen, aber auch mit
unterschwelligem Begehren. Bäckerswitwe Martine bietet ihm einen Schlafplatz an und sucht seine körperliche Nähe. Sexuelle Spannungen erzeugt der Rückkehrer auch bei Bauer Walter und Pfarrer Grisolles. Als Vincent spurlos verschwindet, fällt der Verdacht schnell auf Jérémie. Der Film kommt am 17. April ins Kino.

Baby
Als der 18-jährige Wellington nach zwei Jahren aus der Haft entlassen wird, sind seine Eltern spurlos verschwunden. Um auf den Strassen von São Paulo zu überleben, muss der Junge als Sexarbeiter anfangen. In einem Pornokino lernt er den etwas älteren Ronaldo kennen, der ihm zeigt, wie die Geschäfte als Stricher laufen. Dabei entwickelt sich zwischen den beiden eine leidenschaftliche und fürsorgliche Beziehung. In der Tradition von «My Own Private Idaho» und «Sauvage» erzählt Regisseur Marcelo Caetano in «Baby» die authentische Geschichte eines queeren Erwachsenwerdens im Sexworkermilieu.

Drei Kilometer bis zum Ende der Welt
Der Gewinner der Queer Palm von Cannes erzählt vom 17-jährigen Adi, der mit seinen Eltern in einem abgelegenen Dorf im rumänischen Donau-Delta lebt. Als sich der Teenager in den Sommerferien in den Studenten Răzvan verliebt und die beiden beim Küssen beobachtet werden, spitzt sich die Lage dramatisch zu. Die Dorfjugend greift zu brutaler Gewalt, die Mutter beauftragt einen Priester mit der Teufelsaustreibung. Regisseur Emmanuel Pârvu stellt damit nicht nur die in Rumänien weit verbreitete Homophobie, sondern auch staatliche Korruption und religiösen Fanatismus an den Pranger, deren zersetzende Kraft im Widerspruch zur atemberaubend schönen Natur des Donaudeltas erscheint.

Break
Nach seinem umwerfenden Auftritt als Mode-Ikone in «Becoming Karl Lagerfeld» wechselt Daniel Brühl für die nächste queere Biographie hinter die Kamera. In seiner zweiten Regiearbeit nach → «Nebenan» erzählt er das Leben des «Tennisbarons» Gottfried von Cramm. Dieser erlebte seine grössten Erfolge in den 1930er-Jahren, weigerte sich aber stets, Mitglied der NSDAP zu werden. Wegen seiner Beziehung zu dem jüdischen Schauspieler Manasse Herbst wird dem schönen Sport-Star der Prozess gemacht.
Die Hauptrolle übernimmt der «Im Westen nichts Neues»-Star Felix Kammerer. «Gottfried von Cramms Geschichte handelt von persönlichem Heldentum gepaart mit bescheidener Eleganz», erklärt Produzent Malte Grunert. «In einer Zeit, in der die Freiheit, die wir geniessen, durch den zunehmenden Nationalismus und rechte Politik erneut bedroht ist, könnte sie nicht aktueller sein.»

Scham
Mit «Langer, langer Kuss» präsentierte Lukas Röder vor zwei Jahren auf der Berlinale einen rigorosen Kurzfilm. Nun folgt das Kino-Debüt des Münchners. Erzählt wird von Aaron (Til Schindler), der als Kind von seiner Mutter psychisch und physisch missbraucht wird. Als Siebenjähriger erleidet er den sexuellen Missbrauch durch einen Unbekannten. Fortan beginnt er, mit gleichaltrigen Kindern Sex zu haben. Als junger Erwachsener ist seine Scham gross. Eine Begegnung mit der Mutter soll Klarheit über die Schatten der Vergangenheit bringen. «Scham ist eine streng formale Arbeit über die unauflösbar zwiespältige Beziehung zwischen Mutter und Sohn», sagt Lukas Röder über seinen Film.

Viet und Nam
Sex auf einem Berg schwarzer Kohlen hat man bislang wohl nicht gesehen. In dieser Lovestory aus Vietnam wird die Leidenschaft unter Tage sinnlich in Szene gesetzt. Die jungen Bergleute Viet und Nam lieben sich. Zusammen schuften sie tausend Meter unter der Erde, wo Dunkelheit herrscht und Gefahren lauern. Gemeinsam machen sich die beiden auf die Suche nach Nams Vater, der im Krieg verschollen ist, und durchqueren das Land von Norden nach Süden.

Layla
In seinem Debüt erzählt Amrou Al-Kadhis von der Beziehung zwischen der palästinensisch-britischen Drag-Performerin Layla und ihrem weissen, neuen Liebespartner Max. Die Unterschiede der beiden erweisen sich als Herausforderung für die junge Liebe. So stellt sich bald die Frage, was es bedeutet, jemanden zu lieben und wie sehr man bereit ist, Kompromisse einzugehen.

The Light Fantastic
Inspiriert von einer wahren Geschichte, folgt «The Light Fantastic» dem Schauspieler Jeremy Irvine in der Rolle des Jason, eines schwulen Feuerwehrmanns, der davon träumt, professioneller Gesellschaftstänzer zu werden. Der Film spielt in Blackpool, wo Jason gegen die starren Traditionen der Tanzwelt ankämpft, stets unter der strengen Aufsicht seines ultra-traditionellen Trainers Reynolds, gespielt von Rupert Everett. Zur weiteren Besetzung gehören Nathan Jarret-Steward und Layton Williams.

The History of Sound
«All of Us Strangers»-Star Paul Mescal steht mit «Challenges»-Star Josh O’Connor für «Moffie»-Regisseur Oliver Hermanus vor der Kamera. Erzählt wird von zwei jungen Männern, die sich während des Ersten Weltkriegs auf eine Reise begeben, um das Leben, die Stimmen und die Musik ihrer amerikanischen Landsleute aufzuzeichnen. Die Premiere wird in Cannes erwartet.

On Swift Horses
«Saltburn»-Star Jacob Elordi spielt in dieser Dreiecksgeschiche nach dem Roman von Shannon Pufah. Muriel und ihr Ehemann Lee, die gerade dabei sind, ein glänzendes neues Leben zu beginnen, werden durch die Ankunft von Lees Bruder aus dem Gleichgewicht gebracht. Muriel beginnt ein geheimes Leben und wettet auf Rennpferde, derweil Julius und Henry wilde Nächte in Las
Vegas erleben.

Kiss of the Spider Woman
Die zweite Verfilmung des 1992 uraufgeführten Bühnenmusicals von Terrence McNally. Der schwule Friseur Luis sitzt in einem argentinischen Gefängnis, nachdem er wegen «öffentlicher Unzucht» verurteilt wurde. Jeden Tag kommt er durch, indem er sich Filmhandlungen vorstellt, in denen die klassische Schauspielerin Ingrid Luna (Jennifer Lopez) die Hauptrolle spielt. Eine der Rollen, die Luis sich ausdenkt, ist die der Spinnenfrau, die ihre Beute mit einem Kuss tötet. Luis‘ Tagträume werden abrupt unterbrochen, als er einen neuen Zellengenossen bekommt, den politischen Gefangenen Valentin Arregui Paz («Star-Wars»-Star Diego Luna), mit dem er eine unerwartete Bindung eingeht.

The Wedding Banquet
Auch der Klassiker von Ang Lee erlebt drei Jahrzehnte später eine Neuauflage. Die romantische Komödie erzählt die Geschichte von Min, der nach der Ablehnung seines Heiratsantrags von seinem Freund mit gebrochenem Herzen zurückgelassen wird. Um sich eine Green Card zu sichern, heiratet Min seine beste Freundin Angela. Doch als Mins Grossmutter aus Seoul kommt, um zu Ehren des «Paars» ein traditionelles koreanisches Hochzeitsbankett zu veranstalten, beginnt ihr Plan auseinanderzufallen.

Peter Hujar’s Day
Nach «Passages» steht Ben Whishaw erneut für Ira Sachs vor der Kamera. Erzählt wird die Geschichte des Fotografen Peter Hujar und seiner Freundin Linda (Rebecca Hall) im New York der 1970er Jahre.

Night Stage
Frisch vom «Panorama» der Berlinale kommt der brasilianische Film von Marcio Reolon. Ein Schauspieler und ein Politiker beginnen eine heimliche Affäre und entdecken gemeinsam ihre Vorliebe für Sex an öffentlichen Orten. Je näher sie jeweils ihrem Traum vom Ruhm kommen, desto leichtsinniger werden sie.

The Astronaut Lovers
Der argentinische Filmemacher Marco Berger untersucht zeitgenössische Männlichkeit, Sexualität und sexuelle Neugier in dieser Comedy. Zwei Kindheitsfreunde, der offene und stolze Pedro und der unbeschwerte Hetero Max, treffen sich während eines Urlaubs mit Freunden wieder. Als Maxi erfährt, dass seine Ex-Freundin in der Stadt ist, überzeugt er Pedro, sich als sein Freund auszugeben, um sie eifersüchtig zu machen. Während die Männer spielerisch flirtende Bemerkungen austauschen, baut sich zwischen ihnen eine romantische und sexuelle Spannung auf, die sie dazu zwingt, ihre Ansichten über Sexualität zu hinterfragen.

Departures
Comedy-Drama aus Manchester nach einer wahren Begebenheit. Benji trifft Jake an einem Abfluggate am Flughafen und ist sofort fasziniert. Bald stehen monatliche Ausflüge nach Amsterdam auf dem Programm. Zudem eine Menge Sex sowie das schleichende Entstehen einer Machtdynamik.

High Tide
Lourenço, ein Brasilianer, der in Provincetown lebt, kämpft nach einer kürzlichen Trennung mit Depressionen und sieht mit Unbehagen dem baldigen Ablauf seines US-Visums entgegen. Doch seine Stimmung hellt sich auf, als er am örtlichen Strand auf Maurice trifft, einen charismatischen Arzt aus New York. Trotz ihrer völlig unterschiedlichen Hintergründe finden die beiden Männer eine gemeinsame Verbindung in ihrem geteilten Gefühl der Entfremdung und Einsamkeit – in einem Land, das sie nur schwer als ihr eigenes begreifen können.

Bagger Drama
Eine Familie tut sich schwer über Liebe oder Intimität zu sprechen. Der Familienbetrieb verlangt ihre Aufmerksamkeit: Bagger vermieten, verkaufen, reparieren. Alle müssen mitanpacken. Der tödliche Unfall der Tochter war damals der Wendepunkt. Da hörte die Familie auf zu funktionieren. Der schwule Sohn will lieber in die USA, statt die Nachfolge anzutreten. Der Vater findet Gefallen an der neuen Chorleiterin und die Mutter steht plötzlich alleine da. Ein Film mit suchenden Menschen und tanzenden Maschinen. Piet Baumgartners Werk kommt am 1. Mai in die Kinos.

A Few Feet Away
Der 20-jährige Santiago hat eine Vorliebe für Hookup-Apps. Sein Handy stets griffbereit, scrollt er unaufhörlich, um zu sehen, wer verfügbar und in der Nähe ist. Im Laufe einer einzigen Nacht, von zaghaften Begegnungen bis hin zu Sexclubs, sucht er nach etwas, das scheinbar immer ausser Reichweite bleibt – egal, wie nah das nächste Date auch sein mag.
