Adam Ulanicki | Den Selbsthass überwinden

Mit Cello, einer beruhigenden Stimme und platinblond gefärbten Haaren wurde Adam Ulanicki 2020 auf TikTok bekannt. Doch dann verschwand er plötzlich von der Bildfläche. Zurückgekehrt ist er mit seinem Coming-out als trans Mann, einem Signing bei Sony Music und seiner ersten eigenen EP.

 

Adam trägt ein kariertes Hemd offen über einem T-Shirt, die Haare des 21-Jährigen sind platinblond gefärbt und seine Haut zeigt leichte Akne, eine Begleiterscheinung der Hormontherapie. Unser Gespräch findet in den Büros der Berliner PR-Agentur Better Things statt. Ulanicki wirkt nervös, spricht aber mit einer ruhigen Stimme und sucht immer wieder nach den richtigen Worten.

In der Schule gemobbt

Er ist viel umgezogen – seit ein paar Jahren lebt er in Krefeld. An seine Schuljahre hat er nur düstere Erinnerungen. «Das war keine gute Zeit. Ich habe mich selbst gehasst, meine negativen Vibes auf andere übertragen und bin durch eine schwere Depression gegangen.» 

Die Musik war in dieser Zeit ein Anker für ihn. Als Kind klassischer Musiker*innen spielt er seit zwölf Jahren Cello und begann früh, in seiner Freizeit zu singen. «Für mich gab es immer nur diesen einen Plan. Musik ist mein Leben», sagt er, als er sich an seinen Start auf TikTok erinnert. Damals war er noch ungeoutet, sang mit einer weiblichen Stimme und produzierte selbst Cover-Versionen von Hits wie «Some Say» oder «Airplanes» – immer begleitet von seinem Cello. «Streichinstrumente verleihen den Songs eine zusätzliche Tiefe und transportieren eine Emotionalität, die der Text und die Stimme allein nicht rüberbringen können.»

Ulanickis Musik klingt ebenso melancholisch wie der junge Mann, der da sitzt und von seiner Suche nach sich selbst erzählt. Das Produzieren und Aufnehmen brachte er sich selbst bei, und seine Videos wurden in kürzester Zeit viral. Sein Cover von «Some Say» wurde auf TikTok in mehr als 130’000 Videos verwendet und verzeichnet allein auf Spotify aktuell 12 Millionen Streams. Dieser Erfolg brachte ihn in Kontakt mit dem Produktionsteam des Originals, das ihn einlud, in Berlin an eigenen Songs zu arbeiten.

Mit einer neuen Stimme singen

«Als ich die Anfrage bekam, hatte ich gemischte Gefühle», erinnert er sich. Einerseits war es sein grosser Traum. Andererseits hatte er gerade begonnen, Testosteron zu nehmen. «Meine Stimme klang nun anders. Ich hatte mich auf Social Media noch nicht geoutet und wusste nicht, ob ich mit meiner neuen Stimme weiterhin Musik machen könnte.»

Doch für das Produktionsteam und Sony war das kein Problem. «Die Jungs waren super entspannt. Ich habe einige meiner Songs vorgespielt, wir haben Ideen ausgetauscht, und kurz darauf begannen die ersten Writing-Sessions.»

So entstand Ulanickis Debüt-EP «Gray». Mit gefühlvollen Texten, einem melancholischen Sound und Cello-Einlagen knüpft sie an seinen viralen TikTok-Hit an. Das Schreiben eigener Songs war für ihn eine bereichernde Erfahrung. «Ich habe gemerkt, dass ich mich öffnen und über meine Emotionen und Perspektiven sprechen muss. Mit Musik fällt mir das deutlich leichter als im direkten Gespräch.»

Unsicher und verletzlich

Während unseres Gesprächs blitzt Ulanickis Unsicherheit immer wieder durch. Öffentlich hat er sich als trans Mann geoutet – ein wichtiger Schritt für ihn. Doch ganz im Reinen scheint er damit noch nicht zu sein. «Ich habe keine Leidenschaft, über mein trans Sein zu sprechen. Wie auch, wenn ich mich selbst oft nicht leiden kann, wenn mein Spiegelbild mich enttäuscht oder dieses Leben sich wie eine konstante Herausforderung anfühlt? Ja, ich bin ein trans Mann. Aber eigentlich wünschte ich, ich wäre einfach ein Mann. Ich habe das Gefühl, so vieles nicht erleben zu können und in Unsicherheiten gefangen zu sein.»

 

Ich sage ihm, dass er ein hübscher junger Mann sei und ich glaube, dass andere das auch in ihm sehen. Zwar freut er sich über das Kompliment, doch ganz glauben kann er es nicht. Verständlich, wenn man bedenkt, wie stark der Hass auf die trans Community in den letzten Jahren zugenommen hat. Gerade deshalb versucht Adam, sich auf die Musik zu fokussieren – eine Möglichkeit, Gefühle in Melodien zu fassen, für die er sonst keine Worte findet.

«An gewissen Tagen fühle ich mich immer noch gelähmt, muss mich zwingen, aufzustehen und weiterzumachen. Vielleicht hört das auch nie auf?»

Adam Ulanicki ist jung, ein aussergewöhnlicher Musiker, und er beweist Verletzlichkeit. Derzeit arbeitet er an neuen Songs, ersten Kollaborationen und daran, in seiner Musik noch ehrlicher zu werden. Gleichzeitig bleiben Selbstakzeptanz und -liebe Themen, die ihn sowohl privat als auch künstlerisch begleiten werden.