Michael Elsener: «Ich gehe jetzt ganz anders durch die Welt.» Wie der Comedian mit der Herausforderung Covid-19 umgeht.
Bilder Raphael Hadad
Opern- und Schauspielhaus sind geschlossen, Bands haben ihre Tourneen abgesagt und Comedians können nicht mehr auf der Bühne stehen. Das Corona-Virus legt die Kulturbranche lahm.
In Zeiten wie diesen sind aussergewöhnliche Massnahmen gefragt. Der Bundesrat schränkte uns alle mit seinen Regelungen ein. Nach einiger Zeit im Lockdown lockert er die Sicherheitsmassnahmen. Coiffeursalons, Restaurants und Baumärkte dürfen wieder ihre Türen öffnen. Doch eine Branche weiss noch nicht, wie es weitergeht: Die Kulturbranche. Bessere Aussichten sind noch nicht vorhanden.
DISPLAY wollte wissen, wie der Zuger Comedian Michael Elsener mit der Situation umgeht.
DISPLAY: Michael Elsener, du bist Satiriker, Kabarettist und Comedian. Wie macht sich das Corona-Virus bei dir bemerkbar?
Michael Elsener: Anfang Dezember hatte ich starken Husten, dann bin ich lange durch die Philippinen gereist. Als ich zurückkam, war ich gesund, aber die Welt stand Kopf. – Ich musste mich erst etwas sammeln. März und April sind starke Auftritts-Monate. Dieses Jahr klingelte dauernd das Telefon und ein Gig nach dem anderen wurde abgesagt. Zuerst nahm ich es locker hin. Als dann plötzlich auch die Gigs für August abgesagt wurden, stand ich am späten Nachmittag mal auf meinen Balkon und habe laut geschrien. Dann war alles wieder gut. Und meine Nachbarn haben angefangen zu applaudieren!
Deine Sendung beim SRF wurde abgesetzt. Nun gibt es wegen Corona auch keine Bühnen-Auftritte. Das heisst, du hast keine Einnahmen, oder?
Genau. Ich verdiene Geld, wenn ich auf der Bühne das Publikum zum Lachen bringe, sonst nicht. Das kann ich derzeit leider nicht.
Der Bundesrat hat ein Notfallpaket für die Kulturbranche bereitgestellt. Kannst du denn davon deine Einbussen decken?
Das glaube ich nicht. Aber ich möchte mich hier nicht über meine Ausfälle beklagen, denn es gibt andere, die es härter trifft. Ich habe durch die Corona-Notbremse einfach sehr viel Zeit bekommen. Dadurch habe ich zu vielen Dingen neue Zugänge entdeckt. Eigentlich müsste ich mir in zwei Jahren wieder mal so einen persönlichen Shutdown verordnen.
Satiriker mit Herz
Michael Elsener ist nicht nur für seine Parodien von Prominenten bekannt. Er setzt sich auch politisch ein. Beispielsweise produzierte er ein Video über die Abstimmung zum Anti-Diskriminierungs-Gesetz, in dem er auf lockere Art für ein Ja warb. Themen, die nahe am Alltag sind, liegen ihm am Herzen. Zuletzt produzierte er ein Video zur Frage, ob Corona eine Chance für uns ist. DISPLAY wollte Genaueres wissen.
«Wenn wir ehrlich sind, haben bis jetzt viele von uns seltsam gelebt: Jede und jeder hatte einen Plan. Und der lautete im Grunde meistens: Mehr, schneller, grösser»
Im Lockdown hast du einen neuen viralen Coup gelandet. In einem Video nennst du sechs Gründe, wieso das Corona-Virus eine Chance für die Menschheit ist. Wie kamst du darauf?
Ich hörte Aussagen wie: «Mir geht’s sooo mies wegen Corona.» oder «Was ist mit unseren Flitterwochen auf den Malediven?» Das fand ich absurd. Ja, es ist eine krasse Situation, aber Menschen in ärmeren Ländern trifft die Corona-Krise wirklich in ihrer Existenz. So fand ich: Es ist an der Zeit, die Perspektive zu ändern. Ich erinnerte mich an Krisen in meinem Leben – und jedes Mal, wenn ich irgendwo gegen eine Wand lief, war es im Rückblick eine Riesenchance.
Welche Reaktionen hat das Video ausgelöst?
Es war toll zu sehen, welche positiven Inputs die Leute auf meine Facebook- und Youtube-Pinwand geschrieben haben. Kein einziger Troll war darunter. Nur clevere Gedanken, und ich habe spannende Einblicke bekommen. Mit diesen Inputs könnte ich gleich noch ein weiteres Video machen.
Im Video erklärst du, dass man Bisheriges hinterfragen und Krisen als Chance nehmen soll. Was meinst du damit?
Wenn wir ehrlich sind, haben bis jetzt viele von uns seltsam gelebt: Jede und jeder hatte einen Plan. Und der lautete im Grunde meistens: Mehr, schneller, grösser! Und jetzt plötzlich hat niemand mehr einen Plan. Mal keinen Plan zu haben, finde ich sehr spannend. Es ist schwierig auszuhalten, aber ich kann mir wieder Gedanken darüber machen, was ich wirklich will im Leben. Darum finde ich: Lass uns eine Vision entwickeln, wie wir selbst leben wollen. Wie wir als Gesellschaft zusammenleben möchten.
Wie sollen wir denn zusammenleben?
Sehr gerne mit mehr gegenseitiger Wertschätzung. Im März applaudierten Leute auf ihren Balkonen den Menschen zu, die arbeiten, ganz egal, woher sie kommen und wie sie leben. Dagegen gab es Anfang Jahr noch eine grosse Debatte darüber, ob man Menschen wegen ihrer Herkunft oder sexuellen Orientierung ungestraft öffentlich beleidigen darf oder nicht.
Unbequeme Krisen
Krisen können Menschen in eine andere Richtung bewegen – das stimmt. Viele berühmte Persönlichkeiten wie Max Frisch oder John F. Kennedy wussten schon um den Wert, den eine Krise haben kann.
Gemäss Psychoanalytiker Erik Erickson kann Entwicklung nur dann stattfinden, wenn die Krise überwunden wurde, was wiederum die Voraussetzung für das Bestehen der nächsten Krisen sein wird. Für viele sind Krisen unbequem, da sie nicht berechenbar sind und es sich in der eigenen Blase am besten lebt. Doch wenn man sich darauf einlässt, kann man über sich hinauswachsen und Fortschritte machen.
Stichwort Fortschritt: Denkst du, dass sich nach Corona etwas verändern wird?
Ich glaube ja. Ich selbst gehe schon jetzt anders durch die Welt. Ich bin aufmerksamer. Ich packe weniger in einen Tag rein, lasse mir mehr Zeit für Pausen und lasse Langweile zu. Ich bin vielleicht weniger produktiv, aber definitiv mehr bei mir.
«Ich nehme mir wieder mehr Zeit für Dinge, die keinen klaren Nutzen haben»
Was nimmst du persönlich aus der Krise mit?
Ich nehme mir wieder mehr Zeit für Dinge, die keinen klaren Nutzen haben, mache jeden Tag irgendwas, das eigentlich komplett sinnlos ist. Heute habe ich versucht, aus Büchern einen kleinen Torbogen zu bauen. Ich weiss, das bringt keinem etwas, aber ich habe mich riesig amüsiert dabei. Vor allem, als der Turm dann wieder zusammengestürzt ist.
Langeweile als innerer Kompass
Uns fällt es schwer, sich mit der Langeweile auseinanderzusetzen. Dabei sagen Experten, dass Langeweile wichtig sei, weil sie erholsam für Körper und Geist ist. Wenn Gedanken abschweifen, werden im Gehirn Areale aktiviert, die sonst nur selten zusammenarbeiten.
Die Kreativität wird stärker, verborgene Ideen und Passionen werden aufdeckt, die ansonsten unter den alltäglichen Pflichten versteckt wurden. Langeweile kann auch als innerer Kompass dienen. Wer unterfordert und gelangweilt ist, orientiert sich neu. Zudem sind das wichtige Erholungsphasen für das Gehirn. Ohne sie riskiert man ein Burn-out.
Jetzt scheint der perfekte Zeitpunkt, um Aufgeschobenes nachzuholen, sich mit sich selbst zu befassen, Yoga zu praktizieren oder eine Sprache zu lernen. Deshalb fragten wir auch bei Michael nach.
Nebst Videos für Social Media zu produzieren, wie verbringst du sonst deine Zeit?
Ich mache wieder mehr Musik, spiele mit meinem Saxofon die Funk-Songs wieder, die ich mit 20 mit der Band gespielt habe und ich habe angefangen, mir Schlagzeug beizubringen. Ich backe jede Woche eine neue Torte oder einen Kuchen. Ah ja, und ich habe meine neue Bühnenshow geschrieben. Weil der Shutdown verlängert wurde, konnte ich auch schon proben und die Songs einstudieren. Ich könnte morgen die Premiere machen. – Entweder mache ich ab jetzt Ferien oder ich schreibe noch eine zweite neue Show und stell sie dann einfach mal auf meinen Estrich.
Du probst für ein neues Programm? Ab wann wird das zu sehen sein?
So der Corona-Gott will, ist die Premiere im September im Theater Casino Zug. Ich nenne meine Show «Fake me Happy». Darin frage ich: Gefällt uns die Welt, so wie sie ist? Die Realität ist selten unsere erste Wahl. Wir verlieren uns in Netflix-Serien und präsentieren der Welt auf Instagram unser Fake-Ich. Meine neue Show ist die ideale Ergänzung zu unserem täglichen Selbstbetrug. Statt uns mit der Wahrheit unglücklich zu machen, sage ich lieber: «Fake me Happy».
Kannst du deinen Fans in ein paar Sätzen sagen, was sie erwarten wird?
Ich mag es, andere Leute zu imitieren, darum: Es gibt viele Parodien von Schweizer und internationalen Promis. Dann rede ich über den Klimawandel, ich schildere Szenen, die ich in Clubs erlebt habe und ich spiele einen Singer-Songwriter, der den Leuten Ohrwürmer in den Kopf setzen wird. Zusammengefasst, ich werde alles dafür tun, dass wir einen Abend lang die Welt so sehen, wie wir sie gern hätten.
Und worauf freust du dich besonders?
Ich habe unlängst eine wilde Nummer fertig geschrieben: Roger Federer, Ignazio Cassis, Viola Amherd, Roger Köppel, Christa Rigozzi und Moritz Leuenberger begegnen sich per Zufall im Dampfbad… Weil die Wechsel zwischen den verschiedenen Figuren extrem schnell sind, wird mein Hirn nach dieser Nummer komplett durchgenudelt sein, aber ich glaube, die wird ein Riesenspass!

Michael Elsener
- Michael Elsener, geboren am 18. September 1985, ist Satiriker, Kabarettist, Parodist, Stand-up-Comedian und Talkshow-Host.
- Bekannt wurde der Zuger ab 2006 durch seine Bühnenprogramme und seine TV-Auftritte als Gast bei Giacobbo/Müller.
- Zu Elseners Stärken gehören Parodien von Persönlichkeiten wie Kurt Aeschbacher, Moritz Leuenberger, Alain Berset, Ignazio Cassis, Christa Rigozzi, Hausi Leutenegger oder Roger Federer.
- Neben seinen Solo-Shows präsentiert er im Theater und auf Youtube regelmässig «Die Gute Nacht Show», für welche er jeweils prominente Gäste wie Roger de Weck oder Jonny Fischer zu einem Talk im Bett einlädt.
- 2019 hatte er seine eigene politisch-satirische Sonntagnacht-Show «Late Update mit Michael Elsener», die leider im Frühling dieses Jahres abgesetzt wurde.
- Elsener hat 2010 an der Universität Zürich das Studium der Politik-wissenschaften und Publizistik mit dem Master abgeschlossen. Seine Schwerpunkte waren Schweizer Politik, politische Philosophie und internationale Beziehungen. Neben dem Studium arbeitete er als Journalist für die «Zuger Zeitung» sowie Schweizer Radio SRF.
- Für die Bühne bildete er sich weiter in «Das Wesen des Clowns» bei Jacopo Fò und Carlo Colombaioni in Florenz sowie in Improvisationstheater, Stimmbildung, Schauspiel an der Zürcher Hochschule der Künste.
In seiner Freizeit spielt Michael Elsener Beachvolleyball und mag das Surfen. Selber aus einer italienischen Familie stammend, liebt er es, italienisch zu kochen. Desserts vergöttert er.
Elsener lebt in Zug und Zürich. Sein Privatleben hält er privat. ||