Als News Anchor beim Schweizer Fernsehen ist Mario Grossniklaus unser Fels in der Brandung der Fake News.
DISPLAY sprach mit dem bekannten SRF-Moderator über seriöse Information, seine Liebe zur Natur und seinen Partner.
Vor zwölf Jahren machte DISPLAY eine Story über Mario Grossniklaus, kurz bevor er Tagesschaumoderator wurde. Dabei sprach er zum ersten Mal öffentlich über seine Homosexualität. Wie lebt der bekannte Newsjournalist heute, was macht er bei SRF und was ist ihm wichtig?
Mario Grossniklaus ist 46 Jahre und steht seit langem in der Öffentlichkeit. Bereits mit 17 ging er zum Privatradio: «Radio ist eine ewige Liebe». Nach fünf Jahren bei einem Lokalradio moderierte er weitere zehn Jahre bei Radio DRS/SRF Newssendungen und Magazine. «Danach hat mich der damalige Tagesschau-Chef als Moderator in sein Team geholt». Zehn Jahre lange moderierte er die Tagesschau – eine für ihn aufregende Zeit. «Es war immer unglaublich viel los. Aber ich mag es, wenn ich gefordert bin. Das treibt mich zu Höchstleistungen», fasst Mario zusammen.
Der Mann für alle Info-Formate
Der Berner Oberländer hat aktuell mehrere Jobs bei SRF. Er leitet die Abstimmungssendungen, die vier Mal pro Jahr über die Bühne gehen, und befindet sich in Vorbereitungsarbeiten für die grossen Wahlsendungen im nächsten Jahr. Vor der Kamera moderiert er als Vertretung Sendungen wie «Arena» oder «Der Club». Regelmässig moderiert er auch Spezialsendungen wie «Hallo SRF», eine Livesendung vom Bundesplatz in Bern zum Ukrainekrieg oder zahlreiche Corona-Sondersendungen. Ausserdem ist er für das 22-köpfige Team der SRF-Inlandskorrespondent*innen mitverantwortlich.
Vorbereitung auf den «Club»
Um einen besseren Einblick in die Arbeit von Mario Grossniklaus zu erhalten, besuche ich das SRF in Zürich und begleite ihn bei der Aufzeichnung der Sendung Der Club über das Abstimmungsthema AHV-Reform. Gleich zu Beginn treffe ich die Studiogäste. Die Tontechnikerin berichtet mir, dass Mario Grossniklaus bei den letzten Proben sei. Kurz vor Sendebeginn werden wir alle ins Studio gebracht. «Ich bin Mario», stellt sich Mario Grossniklaus ganz leger bei mir vor. Somit ist das Eis schon gebrochen. Während ich das Geschehen beobachte, nehmen die Gäste im Club-Studio Platz. Mario führt ein paar lockere Gespräche, um die Nervosität der Gäste zu reduzieren, es werden Anweisungen gegeben und ein letzter Sound- und Bildcheck gemacht. Dann heisst es «In zehn Sekunden geht es los», und alles wird mucksmäuschenstill.
Gut vorbereitet ins Gespräch
«Bei Corona war es so, dass ich vor lauter Sendungen am Anfang gar nicht begriffen hatte,
was eigentlich los war»
Mario Grossniklaus hat alles im Griff. Im Studio sind vier Kameras präsent. Er führt gekonnt durch die Sendung, fordert die Gäste mit seinen Fragen und sorgt dafür, dass alle etwa gleich lang zu Wort kommen. Seine Taktik besteht darin, den Gästen jeweils die Argumente der Gegenseite zu präsentieren. «So kann ich die Befragten fordern und bringe mich nie in eine schwierige Position», erklärt er. Dahinter steckt viel Vorbereitung. «Das Tüpfelchen auf dem ‹i› ist die Sendung. Die Moderation im Studio bedeutet Hochkonzentration und fühlt sich an wie ein Marathon. Da muss ich voll da sein, zu 100 Prozent zuhören und mir vorausschauend Gedanken machen, wie ich die Sendung weiterentwickle. Aber auch das Entwickeln und Gestalten einer Sendung finde ich hochspannend.»
Traumjob Newsman
Nach der Sendung steht ein kurzer Apéro mit den Gästen auf dem Programm, bevor Mario das Gespräch mit mir führt. «Ich habe den coolsten Job der Welt», berichtet mir Mario begeistert auf dem Weg in sein Büro. Die Arbeit von Mario Grossniklaus ist abwechslungsreich – und genau das liebt er so daran. «Mein Tagesablauf ist nicht klar durchstrukturiert. Gewöhnlich unterscheidet sich eine Arbeitswoche von der anderen, je nachdem, welche Sendung gerade geplant ist», schildert er. Zuerst mache er sich mit der Redaktion Gedanken, was bei der Sendung thematisiert werden soll. Sobald das Thema bestimmt sei, gelte es sich zu überlegen, wer mitdiskutieren könnte, wobei es Teilnehmende von allen relevanten Seiten benötige. Dann würden mögliche Studiogäste kontaktiert und er schaue mit dem Produzenten oder der Produzentin, wie die Sendung gestaltet werden solle und welche Themenblöcke wichtig seien. Ein wichtiger Teil seien dann Recherche und Vorbereitungsarbeiten. Am Ende werde der Ablauf bestimmt und Mario erstelle Kärtchen für die Moderation. «Die Sendung ist eigentlich ein organisiertes Chaos. Das macht es so spannend. Auf der einen Seite ist sie sehr strukturiert, auf der anderen Seite lässt man los und schaut, was entsteht.»
Highlights einer TV-Karriere: Mario Grossniklaus im DISPLAY-Interview.
Interview Mathias Steger
DISPLAY: Mario, gab es besonders spannende Begegnungen in deiner Karriere als Moderator?
Mario Grossniklaus: Ich begegne unglaublich vielen spannenden Menschen. Es ist nie die Etikette, die einen Menschen spannend macht, sondern die Geschichte dahinter. Einmal hatte ich mit einem Bundesrat ein längeres professionelles Gespräch und es berührte mich, wie menschlich und persönlich dieser im Anschluss wurde. Besonders in Erinnerung bleibt mir auch die Begegnung mit dem Extremsportler Ueli Steck. Ich hatte mit ihm in
einer Sendung über das Risiko und den Tod gesprochen. Wenige Zeit danach verunglückte er tödlich. Das war sehr berührend.
Mein wohl bewegendstes Erlebnis als Journalist war der Tod von Nelson Mandela. Ich wurde spontan nach Johannesburg geschickt, um die Trauerfeier in Sondersendungen abzubilden. Innerhalb von nur wenigen Stunden all diese Emotionen aufzunehmen und gleichzeitig den Menschen in der Schweiz zu erklären, was vor Ort tatsächlich abläuft, war eine starke Erfahrung. Als ich dann vor dem Sarg von Mandela in Pretoria stand, empfand ich das als surreal. Erst im Nachhinein konnte ich alles verarbeiten und Emotionen zulassen. Auch bei Corona war es so, dass ich vor lauter Sendungen am Anfang gar nicht begriffen hatte, was eigentlich los war.
Wie gelingt es dir, als Moderator neutral zu bleiben?
Es gab bis jetzt nie in einer Sendung einen Moment, in dem ich das Gefühl hatte, ich kann mich nicht zurücknehmen und muss meine Meinung platzieren. Sehen wir jedoch Fehler, dann korrigieren wir diese wenn möglich live. Neutral zu sein heisst nicht, die Leute einfach reden zu lassen. Bei diskriminierenden Aussagen oder Geschichtsverfälschungen muss ich auf alle Fälle eingreifen.
Ist Älterwerden schwierig für dich oder erzeugt es einen gewissen Druck?
Ich empfinde das Älterwerden in meinem Job als Privileg, weil man mit den Jahren gefestigter und entspannter wird. Auch im Privatleben spüre ich denselben Effekt. Als ich 40 wurde, dachte ich ‘Hey, das Leben war noch nie so cool’. Ich bin mit den Jahren auch ruhiger geworden.
Bei den jüngeren Generationen gibt es eine Entwicklung weg vom Fernsehen in Richtung Netflix usw. Wie reagiert SRF darauf?
Wir pflegen unseren digitalen Auftritt und haben eigene Reportage-Formate für die Jüngeren, wie etwa SRF Impact. Ausserdem wurde der News-Room modernisiert, wobei wir uns ständig überlegen, wie wir unsere Inhalte unserem digitalen Publikum näherbringen und ein junges Publikum ansprechen können.
Ist Diversity und Inklusion ein Thema bei SRF?
Ja. Es gibt ein Diversity-Board bei der SRG. Ich glaube, dass es bei uns ein wachsendes Bewusstsein gibt, dass Diversity wichtig ist. Ich persönlich habe beim SRF übrigens nie Diskriminierungen erlebt.
Wie war es damals, als der Öffentlichkeit bekannt wurde, dass du gay bist?
Begonnen hat alles mit dem DISPLAY-Interview vor zwölf Jahren, in dem ich auch über meine Homosexualität sprach. Daraufhin hat eine grosse Schweizer Boulevardzeitung eine Seite-1-Story mit dem Aufhänger gemacht, ein Schwulenmagazin habe mich geoutet. Es gehört dazu, dass über einen berichtet wird, wenn man in der Öffentlichkeit steht; damit habe ich kein Problem. Es hat mich damals jedoch sehr nachdenklich gestimmt, dass schwul zu sein eine derart grosse Schlagzeile generieren kann und eine Titelgeschichte wert ist.
Gab es nach dem DISPLAY-Interview und der «Enthüllungsstory» negative Reaktionen?
Eigentlich nicht – wobei man sagen muss, dass die sozialen Medien damals noch nicht so ausgeprägt waren. Aber offensichtlich hat die Geschichte auch andere Menschen beschäftigt. Noch Jahre später sprach mich ein Mann im Supermarkt an und meinte: «Was die mit Ihnen gemacht haben, das war eine Sauerei».
Warst du persönlich jemals mit Diskriminierungen konfrontiert?
Ich bin im Berner Oberland in einem konservativen und protestantisch gefärbten Umfeld aufgewachsen. Das hat mich sehr geprägt. Homosexualität existierte dort damals sozusagen nicht in den Köpfen der Menschen. Ich wusste immer, dass ich schwul bin. Aufgrund des konservativen Umfelds habe ich meine Homosexualität jedoch immer wieder hinterfragt und es hat gedauert, bis ich offen damit umgehen konnte. In meinem Umfeld gab es auch immer wieder Schwulensprüche, was mich sehr gestört hat. Seit ich als 17-Jähriger von dort weggezogen bin, habe ich keine Diskriminierungen mehr erlebt.
Engagierst du dich in der Community?
Die Community interessiert mich grundsätzlich sehr. Ich bin auf dem Weg, Mitglied bei Network zu werden, einem Verein von Männern, die sich in Politik, Wirtschaft, Kultur oder Sozialem engagieren. Privat habe ich eine klare Meinung zu all diesen Themen. In meiner Rolle als politischer Moderator kann ich mich aber in der Öffentlichkeit nicht dazu äussern. Es wäre problematisch, zum Beispiel vor einer nationalen Abstimmung persönlich Position zu beziehen und gleichzeitig eine meinungsbildende Sendung zum Thema zu moderieren. Ab und zu leite ich aber eine kontroverse Podiumsdiskussion zu einem Thema aus der LGBTQ-Community.
Wie schätzt du die Situation für Gays in der Schweiz aktuell ein?
Wir sollten uns überlegen, wie es die Gesellschaft schafft, noch toleranter zu werden. Wie bekommt eine LGBTQ-Community diese Toleranz, aber wie kann auch die Community selbst toleranter werden? Mehr Toleranz für das Gegenüber ist etwas, was ich mir allgemein wünsche.
Hast du berufliche Wünsche und Pläne?
Ich mache mir nicht so viele Gedanken über die Zukunft. Aktuell sind die Eidgenössischen Wahlen 2023 mein grosses Ding und ich freue mich darauf. Es ist ein gigantisches Projekt mit viel Verantwortung. Ich mache mir aber keine grossen Gedanken, was danach sein sollte. Denn ich bin jemand, der versucht, im Hier und Jetzt zu leben.
Dem Partner und der Natur verbunden
Privat ist Mario Grossniklaus seit 15 Jahren mit seinem Partner Roman zusammen. Er lebt mit ihm in Zürich Altstetten. In seiner Freizeit ist er vor allem in der Natur, beispielsweise rund um den Uetliberg. Mario nutzt jeden Moment, um nach draussen zu gehen, in den Bergen zu wandern oder im Garten zu arbeiten. Und er reist auch sehr viel: «Ich mag ‹komplexe› Länder. Mich faszinieren andere Kulturen, andere Menschen, andere Denkweisen, und ich will andere Menschen verstehen können». Ausserdem meditiert er täglich. In Zürich lebt Grossniklaus seit 2010. «Ich finde Zürich spannend, weil man hier immer Neues entdecken kann», schwärmt der Berner Oberländer.