Lebenssaft in aller Munde

Sperma ist gemäss Wikipedia «Befruchtungsflüssigkeit männlicher Tiere und Menschen». Bei uns Schwulen hat der Lebenssaft also keine wirkliche Funktion. Oder etwa doch?

In Schwulenkreisen wird Sperma oft glorifiziert und manchmal sogar fetischisiert. Nicht ohne Grund gibt es auf Sexportalen die Rubrik «Cumshots», wo sich Männer gegenseitig in alle Löcher spritzen. Man sagt sogar, Sperma sei gesund, weil es proteinreich sei. Zudem soll es Jungbrunnen und Gesundheitselixier sein. Ob das wirklich stimmt, sei mal dahingestellt.

Aber was ist mit dem HIV-Risiko? Ist die Gefahr wirklich so gross, wenn der Proteinshot direkt von der Quelle genossen wird? Eines steht jedenfalls fest: Sperma beim Blasen ist lange nicht so gefährlich, wie bis anhin angenommen.

Risikofaktor Sperma | Nicht wenige Männer glauben nach wie vor fest daran, dass Sperma im Mund ein grosses HIV-Risiko mit sich bringt. Grösser noch als ungeschützter Analverkehr ohne Abspritzen. Die Gleichung Sperma schlucken gleich Gefahr ist noch in vielen Köpfen verankert. Aber stimmt das überhaupt?

Neueste Studien belegen, dass Sperma im Mund ein viel kleineres HIV-Risiko mit sich bringt, als man bisher dachte. Durch den Speichel entsteht ein Verdünnungseffekt: das HI-Virus hat es schwer, in den Organismus einzudringen. Und die Mundschleimhaut ist robust genug, um alle möglichen Erreger abzuwehren.

 

«Sperma gehört bezüglich HIV zu den stark infektiösen Flüssigkeiten.
Ein relevantes Risiko besteht aber hauptsächlich bei ungeschütztem Analverkehr»

 

Fakt ist, HIV ist ein schwer übertragbares Virus. Es müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit es zu einer Infektion kommen kann. Ein zufälliger Spritzer fremden Spermas auf den Penis ist genauso ungefährlich wie Sperma auf einem Pickel. Eine kleine Wunde ist ebenfalls unbedenklich, solange sie nicht offen ist. Eine Wunde ist dann offen, wenn Zugang zu den Gefässen besteht, das heisst, wenn sie frisch und tief ist, also stark blutet. Auch der Lusttropfen ist ungefährlich, egal wie viel davon fliesst.

Ungeschützter Verkehr | Hauptübertragungsweg von HIV ist und bleibt ungeschützter Analverkehr. Es liegt auf der Hand, dass das höchste Risiko beim ungeschützten Analverkehr mit Abspritzen beim passiven Partner liegt. Aber auch ohne Sperma ist das HIV-Risiko bei ungeschütztem Analverkehr eines der höchsten. Dies gilt sowohl für den Aktiven als auch für den Passiven, welche beide unabhängig von der Ejakulation durch den Kontakt der Schleimhäute einem Risiko ausgesetzt sind.

Fazit | Sperma gehört bezüglich HIV zu den stark infektiösen Flüssigkeiten. Ein relevantes Risiko besteht aber hauptsächlich bei ungeschütztem Analverkehr. Das soll nicht heis­sen, dass Sperma im Mund absolut sicher ist. Ein Null-Risiko gibt es sowieso nicht. Das HIV-Risiko bei Sperma im Mund ist aber sehr viel kleiner, als bisher angenommen. Ob man das kleine Risiko in Kauf nehmen will, muss jeder für sich entscheiden. Bei Männern auf PrEP oder unter wirksamer Therapie besteht unabhängig von Sperma und der Sexualpraktik gar kein HIV-Risiko. ||