Finger weg von Facebook Dating!

Ich hasse Kolumnen, die sich mit Sex oder Dating befassen. Sie sind peinlich, billig und lieblos. Wie die Musik von Gölä. 

Deswegen verabscheue ich mich beim Verfassen dieses Textes gerade selbst. Aber es war mir wichtig, euch zu warnen: Finger weg von Facebook Dating! Es macht süchtig, frisst eure Zeit und lässt euch leer zurück. 

Von Frank Richter

Jawohl, Facebook hat neu eine Dating-Funktion. Eigentlich hätte sie schon im Februar starten sollen, aber die «blöden» europäischen Länder pochten auf ihren «doofen» Datenschutz, und Facebook musste den Start verschieben. Jedenfalls funktioniert Facebook Dating ähnlich wie Tinder, ist jedoch direkt in der App integriert. 

Will nicht oder Pfirsich

Mir werden Bilder von potentiellen Partnern vorgeschlagen. Mittels eines Herzbuttons und eines «X» kann ich die entweder annehmen oder ablehnen. Kommt es zu einem Match, dürfen wir munter hin und her schreiben. Bilder können keine ausgetauscht werden. Wer schon mal auf Grindr war, weiss allerdings, dass das durchaus ein Vorteil sein kann. Zum Thema Datenschutz nur so viel: Facebook liest bei den Flirts mit. Wer sich zum Beispiel regelmässig über Bücher eines bestimmten Autors unterhält, kriegt dann die entsprechende Werbung eingeblendet. Was Facebook hingegen nicht für Werbezwecke ausschlachtet, seien die sexuelle Orientierung sowie die religiösen Ansichten. Und warum sollten wir Facebook nicht vertrauen? Es ist ja nicht so, als ob der Konzern je Schindluder mit unseren Daten getrieben hätte… 

Während einer dreistündigen Zugfahrt aus dem Tessin werfe ich alle Bedenken über Bord. Ich klicke mich munter durch die Vorschläge. Ich bin im Wahn! Menschen innerhalb von zwei Sekunden aufgrund eines Bildes zu beurteilen, ist extrem oberflächlich und macht leider extrem viel Spass. Tinder habe ich noch nie benützt, deswegen fühlt sich Facebook Dating für mich neu und aufregend an. 

Während der Fahrt fällt mir auf: Im Tessin nutzen die User die App vermehrt für unverfängliche Bekanntschaften und füllen ihr Profil mit Pfirsichemojis und eindeutigen Ficki-Ficki-Bildern. Je näher ich Richtung Zürich komme, desto seriöser wird’s. 

Nach drei Stunden fragt mich die App, ob sie den Suchradius erweitern dürfe, da ich alle potentiellen Begattungspartner durchgedrückt habe. Ich gebe Facebook grünes Licht und bewerte danach Menschen von Köln bis Nizza. 

Komm an oder Koran

Die Bilder auf dem Dating-Profil kann man direkt von Facebook oder Instagram übernehmen. Bei vielen Profilen frage ich mich, ob sie tatsächlich ernst gemeint sind. Ich sehe Prätentiöses, Witziges und noch mehr Trauriges. Und vor allem: Weichzeichner, Weichzeichner, Weichzeichner. Manche Gesichter sind so krass bearbeitet, als hätte sich Harald Glööckler Klarsichtfolie übers Gesicht gespannt. Rein zur Sicherheit lasse ich meine Fotos auch noch rasch durch eine Filter-App. Ich will ja keinen mit Natürlichkeit abstossen. 

Ab und zu schlägt mir Facebook Dating ein paar Frauen vor. Ich bin mir nicht ganz sicher: Habe ich im Profil etwas falsch eingestellt oder sie? Möglicherweise haben sie sich während der Profilerstellung gerade als Mann gefühlt? Egal. Next. 

Einer küsst auf dem Vorschaubild den Koran. Ich klicke sofort weiter, mit Allah kann ich nicht mithalten – das war ein selbstironischer Gag. Wer das nicht so sieht, schicke seine Todesdrohungen bitte an redaktion@display-magazin.ch. 

Hm, mit solchen Sprüchen sollte man immer aufpassen. Wie auch mit Facebook Dating. Ich verpasse es auf der Suche nach der grossen Liebe sogar, aus dem Bus auszusteigen.  

Wahnsinn, ich habe vier Stunden auf Facebook Dating verplempert und ausser einigen «Hoi, wie geht’s?» ist dabei nichts Substanzielles rausgekommen. Erst als ich Zuhause angekommen bin, wird es doch noch interessant. Während ich eine Flasche Rotwein leertrinke, schreibe ich mit Jonathan hin und her. Wir tauschen uns über Job, Familie und Hobbys aus. Und Jonathan ist echt ein witziges Kerlchen. Für eine ganze Stunde kriegen wir tatsächlich eine tolle Unterhaltung hin. 

Mittlerweile habe ich Facebook Dating den Rücken gekehrt. Jonathan und ich schreiben uns jetzt auf Instagram. Was ja im Grunde genommen auch zu Facebook gehört. Irgendwie lässt mich die Datenkrake einfach nicht frei. 

Frank Richter ist Autor, Comedian und 
Moderator. Er schreibt alle seine Witze 
selber, auch die schlechten. Aktuell ist
er mit seinem ersten Comedy-Solo 
«Promirichter» schweizweit unterwegs. Naja, coronabedingt sehr reduziert. Anyway, Daten und noch geilere Bilder auf: frankrichter.ch
Photo: Andrea Monica Hug

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