Zwischen Swipen, Matchen, Dating und Fun: Grosse Liebe oder totale Enttäuschung?
Dating-Apps wie Tinder, Grindr & Co. sind aus dem Leben vieler queerer Menschen kaum mehr wegzudenken. Doch der Boom hat auch seine Schattenseiten: Immer mehr Nutzer*innen fühlen sich ausgelaugt, überfordert und frustriert von der endlosen Suche nach dem perfekten Match. Gemäss einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom hat mehr als die Hälfte aller Internetuser*innen bereits Erfahrungen mit Online-Dating gemacht.
DISPLAY hat sich genauer mit den Auswirkungen der App-Nutzung beschäftigt: Wie viel Zeit verbringen wir tatsächlich mit Swipen, und warum führt das bei vielen zu Frustration und Erschöpfung? Wir beleuchten die häufigsten Faktoren, die zu einem «Dating-App-Burnout» führen können und hinterfragen, ob die ständige Verfügbarkeit von Matches wirklich glücklicher macht.
Fast 80 Prozent der Gen Z klagen über Burnout durch Dating-Apps
Eine von «Forbes Health» beauftragte Studie liefert spannende Einblicke in die Welt des Online-Datings. Eine überwältigende Mehrheit der Befragten gab an, sich durch die Nutzung von Dating-Apps erschöpft zu fühlen. 79 % der Gen Z-Nutzer*innen berichteten, dass sie sich emotional, mental oder physisch ausgebrannt fühlen – sei es gelegentlich, oft oder sogar ständig. Gefühle von Einsamkeit und Angst können dabei verstärkt werden. Darüber hinaus wirken sich die Apps negativ auf die psychische Gesundheit aus, besonders wenn sie genutzt werden, um mangelnde Wertschätzung im realen Leben zu kompensieren. Die Neuropsychologin Dr. Judy Ho, bekannt aus US-Talkshows und als öffentliche Expertin, betont, dass diese Auswirkungen nicht nur durch Dating-Apps, sondern auch durch andere Formen der digitalen Kommunikation ausgelöst werden können.
Ghosting, Ablehnung und oberflächliche Begegnungen als Hauptursachen
Der Psychologe und Sexualtherapeut Dr. Rufus Tony Spann kennt sich mit Online-Dating aus – er hat vor
14 Jahren selbst seinen Partner über eine Dating-Plattform gefunden. In einer aktuellen Umfrage für «Forbes Health» stellt er fest, dass Ghosting – das plötzliche Verschwinden eines Matches ohne Vorwarnung – eines der grössten Probleme darstellt: 41 % der
Befragten gaben an, dies erlebt zu haben. «Viele Nutzer*innen berichten, dass Matches zwar Interesse signalisieren, aber dann nicht mehr reagieren oder nur nach unverbindlichen Kontakten suchen.»
• Direkt nach Ghosting gehören
• Catfishing (Fake Accounts und falsche, stark bearbeitete oder sehr alte Fotos) (38 %)
• Love Bombing mit übertriebenen Versprechen (27 %) und
• Gaslighting mit Lügen und Einschüchterungen (26 %) zu den häufigsten negativen Erfahrungen auf Dating-Plattformen.
• Auch Missbrauch, Rassismus und Sexismus spielen eine Rolle und wurden von 18 % der Befragten als äusserst belastend empfunden.
Ein weiteres Problem ist die fehlende Tiefe der Kontakte: 40 % der Nutzer*innen beklagen, dass es schwierig sei, eine echte Verbindung aufzubauen, während 35 % Enttäuschungen über mangelnde Interaktion anführen. Zudem empfinden es viele als ermüdend, sich immer wieder auf dieselben oberflächlichen Gespräche einlassen zu müssen.
Dating-Apps: Eine halbe Stunde reicht
Die Befragten verbringen durchschnittlich 51 Minuten pro Tag auf Dating-Apps – eine beträchtliche Zeit, die süchtig machen oder als Ventil zur Ablenkung vom Alltag dienen kann.
Expert*innen empfehlen, die Nutzung auf maximal 30 Minuten zu begrenzen und regelmässig Pausen einzulegen. Anstatt endlos zu swipen, sei es sinnvoller, schnell den Schritt ins reale Leben zu wagen und ein Date zu planen. Denn wenn Langeweile, Einsamkeit oder der Wunsch, sich abzulenken, zur Motivation werden, kann sich das ständige Checken der Apps negativ auf die Stimmung auswirken.
Der erste Satz zählt: So starten wir Gespräche
Der Einstieg ins Gespräch macht oft den Unterschied. 27 % der Befragten setzen auf ein Kompliment als
erste Nachricht, während 26 % einen individuelleren Ansatz wählen und die Nachricht gezielt auf das Profil des Gegenübers abstimmen. Rund 19 % wechseln zwischen verschiedenen Eröffnungsmethoden, je nach Situation. Anmachsprüche nutzen hingegen nur 13 % gezielt als Gesprächsstart.
Lügen gehören offenbar dazu
Trotz der Tatsache, dass viele auf Dating-Apps nach einer ernsthaften Beziehung suchen, wird häufig geflunkert. So verschleiern 21 % der Befragten ihr wahres Alter, während 14 % in Bezug auf Einkommen, Hobbys oder Interessen ungenau sind. 13 % machen falsche Angaben zu ihrer beruflichen Situation oder ihrem Beziehungsstatus. Nur 12 % lügen über ihre Körpergrösse. Diese Täuschungen lassen sich auf Unsicherheiten oder den Wunsch zurückführen, einen guten Eindruck zu hinterlassen (unseren Erfahrungen nach müssten diese Zahlen in Wirklichkeit noch viel höher sein. Da flunkerten wohl einige bei der Umfrage, Anm. der Red.).
Unverbindlichkeit und Sex: Was Dating-Apps ausmachen
Bei Apps wie Tinder und Grindr stehen häufig Unverbindlichkeit und schnelle Begegnungen im Mittelpunkt. Viele Nutzer*innen berichten von respektlosem Verhalten, häufigen Kontaktabbrüchen und oberflächlichen Interaktionen, was besonders frustrierend sein kann. Ghosting, paralleles Dating und die fehlende Verbindlichkeit haben in der Ära der Dating-Apps zugenommen. Die schier unendliche Auswahl an potenziellen Matches fördert zudem eine gewisse Gleichgültigkeit: Wenn ständig neue Optionen zur Verfügung stehen, scheint jede Begegnung weniger Bedeutung zu haben.
Trotz der Nachteile bieten Dating-Apps auch Chancen
Tinder und Co. sind heute die bevorzugte Anlaufstelle, um neue Menschen kennenzulernen – besonders für diejenigen, die einen vollen Terminkalender haben. Ausserdem ermöglichen sie Begegnungen mit Personen, denen man im realen Leben vielleicht nie begegnet wäre. Wer regelmässig Dating-Apps nutzt, sollte sich nicht zu lange mit reinem Chatten aufhalten. Mimik, Gestik und die Ausstrahlung einer Person lassen sich in Textnachrichten nicht einfangen, wodurch die Fantasie leicht ein verzerrtes Bild erschaffen kann. Je mehr Erwartungen man entwickelt, desto grösser ist die Enttäuschung, wenn die Realität anders aussieht.