Gute Vorsätze bringen nichts. Wie man Ziele dank guten Gewohnheiten erreicht.
Text Frank Richter
«Fällt dir was ein zu: Nächstes Jahr wird alles anders oder besser?» Dieser Satz steht in einer Mail, die mir der Chefredaktor geschickt hat. Er wünsche sich etwas zum Thema Neujahrsvorsätze. «Kannste haben», denke ich mir.
Hier kommt die Kurzfassung: Neujahrsvorsätze sind komplett für die Katz. Sie entstehen immer aus einer Proseccolaune heraus, sind in der Regel nicht SMART (also spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert) und enden schneller als Kim Kardashians Beziehungen.
Bitte nicht falsch verstehen. Ziele zu haben ist etwas sehr Elementares, ja sogar Lebensverlängerndes. Menschen, die nach ihrer Pensionierung keine Ziele mehr haben, sterben in der Regel schneller. Aber mit der Zielsetzung zu Ende des Jahres belügen wir uns nur selbst. Denn Anfang Januar haben wir ja nicht plötzlich mehr Durchhaltevermögen, nur weil ein neues Jahr begonnen hat.
Ich optimiere mich seit mehr als drei Dekaden selbst. Jahr für Jahr notiere ich mir neue Ziele auf Post-its, die ich mir neben das Bett klebe. Wenn das wunschgemäss geklappt hätte, müsste ich diese Kolumne nicht schreiben. Halt, das war gemein. Ich würde sie natürlich trotzdem schreiben, allerdings für die doppelte Kohle. Wie also definieren wir Ziele, an denen wir einerseits dranbleiben und die uns andererseits motivieren? Wie gut, habe ich dazu etwas gelesen. Es folgt ein Abriss aus dem RatgeberBuch «Die 1% Methode».
Die Macht der Gewohnheit
Gemäss dem Autor James Clear erreicht man Ziele, indem man sich gute Gewohnheiten antrainiert. Clears Buch ist mehr als 300 Seiten dick. Die Anleitung, die jetzt folgt, ist darum extrem simplifiziert. Eine Gewohnheit muss offensichtlich, attraktiv, einfach und befriedigend sein. Will ich also beispielsweise mehr Sport machen, könnte mein Gewohnheitsplan so aussehen:
1. Offensichtlich: Ich platziere meine Sporttasche am Vorabend direkt vor der Türe, damit offensichtlich wird, dass ich Sport machen will.
2. Attraktiv: Ich kombiniere die Gewohnheit mit etwas, das ich machen muss oder will. Sprich, ich könnte meine Lieblingsserie gucken, während ich auf dem Stepper Kalorien verbrenne.
3. Einfach: Ich verbringe genau zwei Minuten auf dem Stepper. Was das soll? Gemäss Clear kann sich jeder und jede für zwei Minuten aufraffen, etwas zu tun. In der Regel tue man es dann sowieso länger, weil zwei Minuten ja «nichts» bringen. Allerdings seien sie ein guter Zeitrahmen, um eine Gewohnheit möglichst einfach zu etablieren.
4. Befriedigend: Direkt nach dem Sport belohne ich mich mit etwas. Ausserdem zeichne ich meine Gewohnheit in einem Tracker auf. Für jedes Training gibt es beispielsweise ein X im Kalender. Das Ziel ist es nun, die Kette der X nicht abreissen zu lassen.
Jawohl, das war’s auch schon. Falls dir das etwas zu einfach vorkommt, empfehle ich dir, das Buch zu kaufen. Falls dir das hingegen zu anstrengend klingt, hier ein kleiner Geheimtipp. Ich nehme mir jedes Jahr Ziele vor, die ich sowieso erreichen werde. Die kann man am Schluss des Jahres wunderbar abstreichen. Auch 2024 werde ich mir kein Heroin spritzen, nicht mit easyJet fliegen (natürlich wegen der Umwelt) und kein Konzert von Andreas Gabalier besuchen. Wie schon 2021. Und 2020. Also ganz im Sinne von: Gleicher Mist, neues Jahr.