«Der aktuelle Regierungskurs bringt uns um.» Die argentinische Regierung plant drastische Kürzungen der Mittel zur Bekämpfung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten.
Im Gespräch mit DISPLAY warnt der Menschenrechtsaktivist Lucas Fauno Gutiérrez vor den dramatischen Folgen. Er kritisiert die gefährliche Politik von Präsident Milei, die den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten und Behandlungen massiv einschränken könnte.
Text Rico Schüpbach, Foto Pablo Gomez Samela
Seit Dezember 2023 regiert Javier Milei die drittgrösste Volkswirtschaft Lateinamerikas. Der Trump-Fan will die argentinische Wirtschaft «erneuern». Sein Rezept: öffentliche Ausgaben drastisch kürzen und den Sozialstaat abbauen. Bereits hat er mehrere Ministerien abgeschafft, darunter das Ministerium für Gleichstellungsfragen und das Kulturministerium. Besonders dramatisch ist der neue Kurs jedoch im Gesundheitsbereich.
Massive Kürzungen im Gesundheitswesen
Gemäss der NGO «Frente Nacional VIH, Hepatitis y Tuberculosis» plant die argentinische Regierung 2025 eine drastische Budgetkürzung von 76 Prozent für die Bekämpfung von HIV, Hepatitis, Tuberkulose und sexuell übertragbaren Infektionen (STIs). Dies bedeutet, dass im kommenden Jahr keine ausreichenden Mittel für den Kauf von Medikamenten zur Verfügung stehen. Bereits 2024 gab es Engpässe, da Käufe der öffentlichen Hand gestoppt wurden. Das führte zu einem Mangel an Medikamenten, Kondomen und Tests – zentrale Elemente für die Prävention, die Behandlung und die Überwachung der Viruslast, vor allem bei HIV.
«Ein Mangel herrscht nicht nur, wenn Medikamente fehlen, sondern auch, wenn du nicht die Medikamente bekommst, die du wirklich brauchst. Es fehlt an Ressourcen, um Personen zu begleiten und regelmässig zu überprüfen, ob die Therapie anschlägt, ob Nebenwirkungen eingedämmt werden können oder ob ein anderes Medikament besser geeignet wäre. Auch gibt es nicht genügend Tests. Die Situation verschlechtert sich aktuell in grossen Schritten», sagt Lucas Fauno Gutiérrez. Der prominente Menschenrechtsaktivist mit Fokus auf HIV in Argentinien warnt vor den dramatischen Auswirkungen der Kürzungen. «Wenn wir über HIV oder öffentliche Gesundheit sprechen, fassen wir das oft in Prozentzahlen, aber wir dürfen nicht vergessen, dass es um Menschen geht. Ohne Therapie sterben wir. So hart das klingen mag, so wahr ist es.»

HIV-Aktivist Lucas Fauno Gutiérrez: «Ein Mangel herrscht nicht nur, wenn Medikamente fehlen, sondern auch, wenn du nicht die Medikamente bekommst, die du wirklich brauchst.»
Foto: Niebisky
Gefährdung der öffentlichen Gesundheit
Der massive Rückgang im Gesundheitsbudget gefährdet das Leben Tausender Menschen, die auf die öffentliche Gesundheitsversorgung angewiesen sind und sich keine private Versicherung leisten können. Laut staatlichen Zahlen (Stand: Dezember 2023) leben in Argentinien rund 140‘000 Menschen mit HIV. 13 Prozent der Infizierten kennen jedoch ihren HIV-Status nicht. Im Vergleich zur Schweiz, wo nur 7 Prozent der Betroffenen ihren Status nicht kennen, ist das eine alarmierende Zahl.
Diese drastischen Kürzungen könnten zudem zu einem Anstieg neuer HIV-Infektionen und zu mehr späten Diagnosen führen. Lucas Gutiérrez warnt auch vor der Gefahr der Virusweitergabe, falls HIV-positive Menschen ihre Behandlungen verlieren. «HIV-positive Menschen, die in einer erfolgreichen Therapie sind und eine nicht-nachweisbare Virenlast haben, können das Virus sexuell nicht weitergeben. Wenn diese Therapien gestrichen werden, wird sich das Virus wieder stärker verbreiten.»
Er spricht von einer Kettenreaktion: «Bürger*innen müssen wissen, dass sie sich testen lassen können, egal ob hetero, gay oder anders orientiert. Dafür braucht es eine ausreichende sexuelle Bildung. Schritt eins ist also die Aufklärung und Information der Bevölkerung. Schritt zwei ist die passende Behandlung: Ein Testresultat allein bringt wenig, wenn daraufhin keine wirksamen Massnahmen folgen.»
Forderungen der Zivilgesellschaft
Der argentinische Staat ist laut Gesetz verpflichtet, das öffentliche Gesundheitswesen zu stärken, doch die Regierung von Milei verfolgt einen ganz anderen Kurs. Verschiedene Organisationen, darunter die «Frente Nacional por la Salud de las Personas con VIH, Hepatitis y Tuberculosis», protestieren gegen die geplanten Kürzungen und fordern, dass das Parlament die Mittel für das Gesundheitsprogramm erhöht, um die Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten zu gewährleisten.
«Wichtig ist, dass die Gesellschaft solidarisch ist und das Thema nicht unter den Teppich kehrt. Online kann man beispielsweise diversen Organisationen folgen und ihre Forderungen und ihre Öffentlichkeitsarbeit unterstützen», betont Lucas Gutiérrez. «Es gibt immer noch viele Mythen rund um HIV, die wir als Gesellschaft überwinden müssen.»