«I would love to see your naked ass»

Viele arbeiten ein Leben lang auf dieses Ziel hin, nur wenige erreichen es: So berühmt zu werden, dass man einen eigenen Stalker hat. Ein Perversling, der obszön Bilder kommentiert und das Postfach mit Schweinekram flutet. Nun, ich möchte nicht prahlen, aber seit letztem Monat schreibt mir meine persönliche kleine Drecksau. 

 

Von Frank Richter

«Ladies, wer von euch hat schon mal ungefragt ein Dickpick erhalten?» Diese Frage stelle ich in meinem Comedyprogramm und bin jedes Mal erstaunt, wie viele Hände in die Höhe schnellen.

Meine Antwort lautet: «Jungs, schickt Frauen bitte keine unerwünschten Bilder eures Lümmels. Bei uns Schwulen ist das was anderes. Für uns ist das eine Art Gruss aus der Küche, ein kleines Amuse-Bouche.» Natürlich ist mir bewusst, dass auch die meisten Gays nicht einfach so Nacktbilder erhalten wollen. Aber wirklich geschockt ist keiner von uns, wenn es dann doch passiert.

Zwölf Likes in zehn Sekunden

Seit 2011 bin ich auf Instagram, noch bevor es zu Facebook gehörte. Die App und ich haben so viel zusammen erlebt. Der erste Konto-Hack, die erste geteilte Story und meine Verwirrung, warum sie nach 24 Stunden wieder weg war. Der Kampf um den blauen Haken, bei dem man nachweisen musste, dass man eine Person des öffentlichen Interesses ist, um sein Profil zu verifizieren. Mittlerweile kann man ihn für zwölf Franken im Monat kaufen (inklusive Premium-Kundenservice). Seit September 2024 kommt noch eine Erfahrung dazu: mein persönlicher Stalker. 

Es fing alles ganz harmlos an. Er likte Bilder von mir, die bereits mehrere Jahre alt sind. Dann begann er, sie mit Kommentaren anzureichern. «So hot!!! », «Wow, geile Jeans.» Während ich mich bereits freute, dass meine Übungen an der Beinpresse nicht komplett umsonst waren, legte er nochmals eine Schippe drauf. «Hey sexy, you wanna meet to f*%k?!». Mir entwich am Küchentisch ein euphorisches «Yes, endlich» und ich fragte mich, ob ich ihn allenfalls vorher auf einen Kaffee einladen müsste. Ich meine, der Typ macht mir die nettesten Komplimente, befeuert meinen Algorithmus auf Insta völlig kostenlos und ist sogar generös genug, mir den Austausch von Zärtlichkeiten zu offerieren? 

Dass ich sein privates Profil nicht anschauen konnte, machte den Reiz nur noch grösser. Wer war dieser mysteriöse Liebespoet, der meine elf Jahre alten Bilder mit Herzchen flutete? Während ich überlegte, welcher seiner Kommentare sich am besten rahmen liesse, schickte er mir folgende Nachricht: «I would love to see your naked ass». Ab hier konnte ich mit der ganzen Aufmerksamkeit und dem Druck jedoch nicht mehr länger umgehen. Ich meine, ich bin nur ein Clown, der die Menschen zum Lachen bringen möchte. Für den Beauty-Content und durchtrainierte Körper sind Fitness-Influencer, Models und Profisportler zuständig. Schweren Herzens musste ich Marco P. blockieren. Im gleichen Atemzug markierte ich seine Nachrichten auf Instagram als Belästigung.

Instagram schweigt

Mittlerweile kann ich nachvollziehen, wie beängstigend es sein muss, tatsächlich gestalkt zu werden. Die Liaison zwischen Marco P und mir ging bloss zehn Minuten und war mehrheitlich nur mühsam, weil ich seine Kommentare löschen musste. Aber nicht vorzustellen, der Typ würde plötzlich vor meiner Wohnung stehen. Oder noch schlimmer, neben der Beinpresse im Fitnessstudio. Ausserdem habe ich mich gefragt, bei wem die Masche mit der Aufforderung zum Schicken von Nacktbildern tatsächlich funktioniert? Wer lässt einem völlig Fremden auf Instagram Bilder seines Hinterns zukommen? Ist Instagram die richtige Plattform dafür? Man munkelt, auf Onlyfans gebe es für den schmalen Taler Ärsche à discrétion. 

Von Meta, Instagrams Mutterkonzern, habe ich bis jetzt übrigens noch keinerlei Feedback zum gemeldeten Chatverlauf erhalten. Aber das habe ich so erwartet. Ich habe keinen blauen Haken und der Premium-Kundenservice würde mich monatlich zwölf Franken kosten.