Am Tag verlacht, in der Nacht begehrt

Obschon Argentinien heute eine sehr fortschrittliche Gesetzgebung für trans Menschen besitzt und sich die Lebensumstände in den vergangenen Jahren verbesserten, sind bis heute viele Biografien von trans Menschen durch Ausgrenzung, Prekarisierung und Sexarbeit geprägt. Von diesen schwierigen Lebensumständen erzählt der autobiografisch geprägte Roman «Im Park der prächtigen Schwestern» der argentinischen Schriftstellerin Camila Sosa Villada. 

Von Rico Schüpbach

Die Geschichte spielt in den 1990er Jahren. Im Mittelpunkt steht eine Gruppe Travestis*, die sich jede Nacht im Park Sarmiento in Argentiniens zweitgrösster Metropole Cordoba trifft, um dort auf ihre Freier zu hoffen. Die Leser*in taucht ein in eine Spirale voller sexualisierter Gewalt, Drogenkonsum und Armut, gleichzeitig aber auch eine Welt des schwesterlichen Zusammenhalts, gegenseitiger Unterstützung und Fürsorge. 

In einer kalten Winternacht entdecken die Frauen ein ausgesetztes Baby. Die älteste der Schwestern, Tía Encarna, entscheidet sich, das verstossene Kind aufzunehmen, es wird wie ein eigenes Kind adoptiert und von den Schwestern aufgezogen. 

Der Roman erzählt mit einer ehrlichen Rohheit die Lebensrealitäten der Frauen und beleuchtet Realitäten, welche die Gesellschaft sonst eher unter den Teppich kehrt. Der Roman bedient sich des Genres des magischen Realismus. Fantastische Elemente kommen in der direkten und expliziten Erzählweise vor, eine der Schwestern verwandelt sich in Vollmondnächten zur Werwölfin, eine andere mutiert in der Geschichte zu einer Vogelfrau. 

Ein wundervolles, preisgekröntes Werk, das in eine krude und gleichzeitig fantastische Welt entführt. Wir leben immer noch in einer Realität, in der trans Menschen zwar häufig Thema sind, selbst aber viel zu selten zu Wort kommen. Dieses Buch ist ein wichtiger Beitrag einer trans Frau, die ihre eigene Geschichte erzählt.

  • Travesti ist in Argentinien eine angeeignete Selbstbezeichnung für viele trans Frauen.

Über die Autorin

Camila Sosa Villada, geboren 1982 in der argentinischen Provinz Córdoba, arbeitete als Sexarbeiterin, bevor ihr mit einem selbstproduzierten Theaterstück über ihr Leben als trans Frau der schauspielerische Durchbruch gelang. Seither spielt sie Rollen in Film, Fernsehen und Theater und gehört zu den prominentesten Gesichtern der trans Community in Lateinamerika.

▶ Camila Sosa Villada:
Im Park der prächtigen Schwestern. Suhrkamp Verlag.