«Juste la fin du monde»: Der neue Film von Starregisseur Xavier Dolan gewann drei Césars. Ein exzessiver Film, ein exzellenter Film – ein schwuler Film. Jetzt auch auf DVD erhältlich.
Die französisch-kanadische Koproduktion JUSTE LA FIN DU MONDE des kanadischen Regisseurs Xavier Dolan wurde mit drei Césars ausgezeichnet. Gaspard Ulliel gewann die Auszeichnung als bester Hauptdarsteller, Xavier Dolan erhielt je einen César für die beste Regie und den besten Schnitt. Mit drei Auszeichnungen ist der sechste Spielfilm des jungen Kanadiers der erfolgreichste Film des Abends. Der Film lief Ende letzten Jahres in den Kinos und ist bereits auf DVD und Blu-ray erhältlich. Und hier erfährst du, warum du diesen Film nicht verpassen solltest:
Er ist zum Flirten, dieser Typ! Auch ein Flegel – und vor allem ein phantastischer Regisseur: Xavier Dolan. Der Filmer ist so hübsch und charmant – nun, dass man eben, wie gesagt… Rüpelhaft hingegen war seine Attitüde, als er – in Cannes! – gegen die Verleihung der Queer Palm polemisierte, einen Preis, den er eben erhalten hatte. So ein Preis sei «dégoûtant», meinte das enfant terrible, und vor allem «ghettoisierend». Weil alle immer denken, dass von Gays gedrehte Filme automatisch schwule Filme seien… Nun, zum Glück ist Dolan schwul und seine Filme sind es auch. Trotzdem.
WAS IST SCHWUL AN DOLANS NEUEM FILM?
DIE SEXSZENEN · Freizügig, nein, das ist der Film nicht eben: Es gibt nur eine einzige, zarte, fast keusche Szene, im Stile Cadinots gedreht.
DER SCHWULE AUTOR · Louis, Anfang 30, ist schwul, Schriftsteller, sensibel, und ein Bijoux von einem Mann. Er lebt in Paris, seine Amouren bleiben im Vagen. Louis hat Aids und weiss, dass er bald sterben muss. Deshalb kehrt er nach 12 Jahren Abwesenheit erstmals wieder nach Hause zurück zu seiner Familie in der Provinz, um Adieu zu sagen. Für immer.
Seine Mama erwähnt mal – ganz beiläufig – dass er schwul sei. Aber man spricht nicht darüber. Der Film ist von queeren Schicksalen inspiriert, weil der «Held», wie viele Schwule, schon früh die Enge der Familie verliess und in die grosse Stadt entfloh.
MAMA: EIN HAUCH VON DRAG · Wie viele Gays ist er der préféré seiner Mutter. Doch ihre Beziehung ist auch ein wenig derangiert. Denn viele Schwule reiben sich am Verhältnis mit ihrer Mama. So auch Dolan selber, wie er mal in einem Interview verriet.
Louis‘ Mère ist eine typische Französin: eine Dame, nicht mehr ganz jung – schicke Frisur und schicke Kleider – das Make-up allerdings ein wenig exaltiert, in Richtung Drag.
DRAMA, BABY, DRAMA · Das Diner mit der Familie wird, hofft Louis, «nicht das Ende der Welt» sein – so der deutsche Titel des Films. Aber es gerät zur Katastrophe. Denn das Erscheinen des verlorenen Sohnes zündet ein Höllenfeuer an aufgestauten Emotionen in der Familie: Trauer, Wut, Enttäuschung, Narben in der Seele. Nicht wenig Schwule haben einen Hang zum Drama. Und dieser Film ist Drama pur.
EXZESSIVE NAHAUFNAHMEN · Exaltiert – wie immer bei Dolan – ist sein Stil. Die Kamera klebt an den Gesichtern der Menschen, zeigt jede kleinste Regung. Ultra-Nahaufnahmen steigern Emotionen ins Dramatische, oft Unerträgliche. Der enge Bildausschnitt bedrückt extrem. Die krasse Kamera wirkt explosiv. Doch Action, explosive Action, findet vor allem in der Sprache statt, man hört Französisch in höchster Finesse.
SCHWULER BACKGROUND · Schwul ist schliesslich auch der Background des Dolan-Dramas. Es folgt einem Theaterstück des französischen Dichters Jean-Luc Lagarce. Er war homosexuell und starb 1990 an Aids, kurze Zeit bevor sein Stück das Licht der Szene erblickte.
EXZELLENTE AKTEURE · So exzessiv der Film auch ist, so exzellent sind die Akteure. Wunderknabe Dolan ist es gelungen, ein illustres Schauspielerensemble zu verpflichten.
Juste la fin du monde
Ein Film von Xavier Dolan.