Queer in Bundesbern

Vor einem Jahr wurde Patrick Hässig in den Nationalrat gewählt. Wie ist es dem schwulen GLP-Politiker in Bern ergangen? Trifft er sich im Bundeshaus mit anderen queeren Volksvertreter:innen und wie hat sich seine Beziehung zu seinem Mann im letzten Jahr entwickelt?

 

Von Mark Baer

Die meisten kennen ihn noch als Moderator bei Energy Zürich, SRF 3 oder Radio 24. Eine Zeit lang moderierte er am Schweizer Fernsehen auch eine Quiz-Show, bis er ein Studium zum Diplomierten Pflegefachmann startete und durch seine Medien-Popularität zum bekanntesten Pflegefachmann der Schweiz avancierte. 

Erst vor drei Jahren zog es Hässig dann aktiv in die Politik: er wurde Zürcher Stadtparlamentarier, ein Jahr später 2023 gelang ihm auch der Sprung ins Kantonsparlament, um im gleichen Jahr auch Bern zu erobern. Die Wahl als eidgenössischer Parlamentarier gelang Hässig nicht auf Anhieb. Bei den Wahlen im Herbst 2023 landete er auf dem ersten Ersatzplatz der Grünliberalen Partei. Weil seine Kollegin Tiana Moser es in den Ständerat schaffte, konnte der queere Neopolitiker dann doch noch (ohne Federboa) in den Nationalrat nachrücken.

DISPLAY: Grüezi Herr Nationalrat; wie oft hörst du das heute jeweils und hast du dich an diese Bezeichnung schon gewöhnen können? 

Patrick Hässig: Grüezi Herr Baer, danke für die Einladung zu diesem Gespräch. «Herr Nationalrat» höre ich nun tatsächlich regelmässig. Dies jedoch vor allem bei öffentlichen Anlässen, Podiumsgesprächen oder wenn ich zum Beispiel jemandem vorgestellt werde. 

Obwohl du mindestens zehn Jahre jünger ausschaust, kann ich mir vorstellen, dass einen die Anrede «Herr Nationalrat» doch gleich etwas älter macht, oder nicht? 

Dass die Leute uns so ansprechen, hat nicht viel mit dem Alter zu tun, wie ich feststellen musste. Aber Danke fürs Kompliment. Trotzdem ist die Bezeichnung für mich immer noch speziell.

«Man kennt sich im Bundeshaus und weiss, wer sich für queere Anliegen einsetzt»

Behandeln dich die Leute in deinem Umfeld nun aber irgendwie anders, seit du ein gewählter Volksvertreter bist?

Nein, zum Glück nicht. Das soll bitte auch so bleiben!

Dann würde mich jetzt natürlich interessieren, wie das erste Jahr als Nationalrat war für dich?

Sehr, sehr spannend. Die Lernkurve ist enorm steil. Man wird ab Tag eins in alle Prozesse voll eingebunden, ohne eine Anlauf-phase zu haben. Die Geschäfte, Sitzungen und Prozesse laufen, weshalb es hier aufzuspringen gilt. Dies hat bei mir schon auch einen gewissen Druck ausgelöst. Als Nationalrat muss man abliefern. Nach der ersten Session bin ich nach Hause gekommen und war total «geflasht», was ich nach so kurzer Zeit schon alles erleben durfte.

Gibt es Dinge, die du dir anfangs anders vorgestellt hast?

Ich bin positiv überrascht, wie respektvoll miteinander umgegangen wird im Bundeshaus. Was man in der Öffentlichkeit wahrnimmt, erscheint einem oft als eine Art «Polit-Entertainment». Ich erachte es jedoch als grosse Stärke, dass man in unserem Land unterschiedliche Meinungen und Argumente haben kann, sich als Politiker:in danach aber wieder die Hand gibt, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Durch unser direktdemokratisches Polit-System dauern unsere Prozesse zwar lang, jedoch werden sie schliesslich durch Volksabstimmungen von der Bevölkerung getragen. Das ist viel Wert. Dieser Polit-Kultur gilt es unbedingt Sorge zu tragen.

Welches ist dein grösster Erfolg, den du als Politiker in Bern erreichen konntest?

Mir ist es gelungen, die Thematik der Spitalplanung in unserem Land neu anzustossen. Unser föderalistisches System kommt, wenn es um das Gesundheitswesen geht, an seine Grenzen. Insbesondere, wenn jeder Kanton «nur» für sich schaut. Die Spitalplanung übersteigt aber nachweislich die Kraft der Kantone. Deshalb soll der Bund hier ebenfalls Kompetenzen und Verantwortungen erhalten. Meine Forderung für «Bundeskompetenzen in der Spitalplanung» wird nun landauf, landab diskutiert. Das freut mich sehr.

Welches ist der grösste Frust «so far» für dich?

Zum Glück gab’s noch keinen wirklich grossen Frust. Was mich hingegen immer wieder stört ist, dass gewisse politische Lager kaum von ihrer Position abrücken und das Vorwärtskommen so blockieren. 

Du sagst, dass deine Lernkurve in Bern steil gewesen ist. Welche Dinge hast du am schnellsten gelernt?

Dass es in der Politik Zeit und Geduld braucht. Das ist nicht meine Stärke, aber ich arbeite daran. Weiter durfte ich auch lernen, dass es in der Politik Momente gibt, um zuzuschlagen. Hat man den richtigen Moment verpasst, kommt er nicht wieder. Solche Augenblicke zu spüren und dann sofort zu handeln, ist wichtig als Nationalrat. 

Was hast du dir für dein zweites Jahr als Volksvertreter vorgenommen?

Mich weiter in die verschiedenen Dossiers einzuarbeiten. Das braucht viel Zeit. Ein Jahr ist kein Jahr. Die ersten zwölf Monate sind schnell vorbeigezogen. Die Informationsdichte ist riesig. Wissen ist Macht. Je besser und sattelfester man ist, desto sicherer fühlt man sich in der Arbeit. Das ist mein Ziel für mein zweites Jahr in Bern.

Macht man sich bei jeder politischen Entscheidung Gedanken, ob man 2027 wohl wiedergewählt werden wird oder nicht?

Nein. Ich mache mir bei jeder politischen Entscheidung die Gedanken, ob sie zu mir passt und meinen Wertekompass widerspiegelt. Man kann jedoch nicht in allen Dossiers und politischen Fragen bis ins letzte Detail Bescheid wissen. Da verlässt man sich logischerweise auch mal auf die Argumente und Empfehlungen der Partei-«Gspändli». 

Wie viel Prozent setzt du heute für die politische Arbeit ein?

Etwa 70 Prozent. Obwohl dies schwierig zu eruieren ist. Ich merke, dass dieses Nationalrats-Mandat täglich präsent ist. Abstellen kann man es nicht. Mit Mails beantworten, Telefongespräche führen, Sitzungstermine und Anlässe wahrnehmen und mit Einlesen in die verschiedenen Vorlagen, kann man seine Agenda nahezu täglich füllen.

Wie oft bist du noch im Zürcher Stadtspital Triemli?

Ich bin 30 Prozent als Pflegefachmann auf dem Kindernotfall tätig. Das passt so für mich. Das Stadtspital Zürich und ich haben einen guten Deal für beide Seiten: Ich darf sagen, an welchen Tagen ich arbeiten kann. Die Stationsleitung entscheidet dann, in welcher der drei Schichten ich an diesen Tagen zu arbeiten habe. 

Vermisst du das Radiomachen oder sprichst du als Miliz­politiker heute inzwischen noch mehr in Mikrofone als früher?

Manchmal wäre es schon lässig, mal wieder die Radiohebel zu bewegen. Die Musik in den Ohren zu spüren, die Menschen durch den Tag zu begleiten. Es war eine tolle Zeit, die ich definitiv nicht missen möchte. Den Schritt, nach 18 Jahren aber eine andere Berufskarriere einzuschlagen, bereue ich bis heute nicht. Und ja, die Mikrofone gibt es tatsächlich auch heute wieder…

Gibt es eine queere Fraktion im Bundeshaus?

Patrick, gibt es eigentlich so etwas wie eine queere Fraktion im Bundeshaus, wo man sich regelmässig trifft?

Es gibt viele queer-freundliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Ebenfalls gibt es die parlamentarische Gruppe LGBTIQ+. Diese führt in unregelmässigen Abständen Treffen durch. Regelmässige Kaffee-«Kränzli» oder Bier-Abende gibt es jedoch nicht. 

Triffst du dich abgesehen von dieser Gruppe auch sonst ab und zu mit queeren Nationalrät:innen?

Man sieht sich während der Sessionen täglich im Bundeshaus. Man kennt sich und weiss, wer sich für queere Anliegen einsetzt. Ich hatte zum Beispiel schon Gespräche mit Mitgliedern der «Queer Officers», dem Verein von und für die queeren Angehörigen der Schweizer Armee. 

Hast du jemals gespürt, dass dich gewisse Leute im Bundeshaus anders anschauen oder behandeln, weil du gay bist?

Nein. Das ist absolut kein Thema. 

Welche Geschäfte, die für homo-, bisexuelle und trans Menschen wichtig sind, stehen in den nächsten Sessionen an?

Gerade als Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission ist es mir wichtig, dass nach den Ergebnissen der Studie über sexualisierte Gewalt in der Armee dort jetzt stark hingeschaut wird. Es besteht wirklich Handlungsbedarf. Das zeigen die Ergebnisse der erwähnten Studie. Um ein umfassendes Bild zu erhalten, wurde der Forschungsgegenstand der Studie auf alle Geschlechter und die sexuelle Orientierung ausgeweitet. Die Teilnehmenden wurden zu ihrer Betroffenheit und Erfahrungen während ihrer ganzen Dienstzeit ab Ende Rekrutenschule befragt.

Welches sind für dich die wichtigsten Resultate dieser Befragung?

Die Ergebnisse zeigen unter vielem anderen, dass von den befragten Armeeangehörigen knapp die Hälfte von Diskriminierung betroffen waren. Von den mehr als 1100 Interviewten haben 40 Prozent angegeben, sexualisierte Gewalt – verbal, nonverbal und körperlich – erlebt zu haben. Sexualisierte verbale Gewalt ist in unserer Armee leider am meisten verbreitet. Das ist nicht ok und wird nun an oberster Stelle moniert.

Wie wir aus einem DISPLAY-Portrait vor den Wahlen wissen, bist du jemand, der nicht mit der Federboa umherschleicht. Sind queere Anliegen wichtig für dich, oder setzt
du dich mehr für Menschen aus der Gesundheitsbranche ein?

Selbstverständlich sind mir die Anliegen von homo-, bi- und trans Menschen wichtig. Ich unterstütze die Community, wo ich kann. Als Pflegefachmann bin ich natürlich auch den Menschen im Gesundheitswesen sehr nahe und merke schnell, wo der Schuh drückt. Vor allem aber werde ich von vielen Menschen aktiv kontaktiert. Egal aus welchem Lager. Via Social Media oder E-Mails erreichen mich regelmässig Geschichten und Inputs. Das ist wichtig für einen Politiker.

Jemand, der dich sehr unterstützt hat im Wahlkampf, war dein Mann. Steht er dir immer noch beratend und unterstützend zur Seite?

Ja, er ist meine ganz grosse Stütze. Es gibt kaum Worte dafür, wie dankbar ich ihm dafür bin. 

Hat sich eure Beziehung nach mittlerweile 19 Jahren irgendwie verändert, seit du Nationalrat bist?

Ja. Sie ist stärker geworden. Da er ebenfalls sehr politisch interessiert ist, hecken wir nicht mehr nur private, sondern auch politische Pläne zusammen aus.    

Queere Themen sind für mich selbstverständlich

Am Pink Apple Filmfestival wird der Schweizer Filmproduzent und Drehbuchautor Ivan Madeo mit dem Golden Apple ausgezeichnet. Der 48-Jährige, der mit seinem Partner in Zürich lebt, spricht über Auszeichnungen, sein einst schockierendes und gleichzeitig gefühlsexplosives Coming-out und über seine queeren Lieblingsfilme.

 

Text Mark Baer Bild Ilja Tschanen

Geboren ist Ivan Madeo in Bern, als Sohn von eingewanderten Eltern. Sein Nachname stammt aus einem kleinen Dorf in Kalabrien. «Ich bin ein klassischer Secondo», sagt er im DISPLAY-Interview. In seiner Kindheit und Jugend habe er lange lernen müssen, damit umzugehen, dass er weder richtig Schweizer noch richtig Italiener war. «Mit doppelten und doch keinen richtigen Wurzeln habe ich meinen eigenen Weg gesucht und bin ein Wanderer geworden.»

Ivan bezeichnet sich als ein «Verfechter einer Welt ohne Grenzen»: ein Verfechter eines Denkens, das weniger das Trennende und mehr das Verbindende und Gemeinsame sucht. «Rückblickend denke ich, dass diese Ausgangslage mich bis heute stark geprägt hat.»

Gross geworden ist Ivan mit einem jüngeren Bruder, der ganz jung für seine Fussballkarriere alleine nach Italien gereist ist und heute mit seiner Familie wieder in der Schweiz, nahe bei Basel, lebt.

Ivan Madeo selber hat seinen Lebensmittelpunkt in Zürich gefunden, zusammen mit seinem Partner. «Da bin ich wenige Jahre nach meinem Studium schon hingezogen.» Aber da seine Eltern eine Zeit lang noch in Bern weitergelebt haben und eine seiner Produktionsfirmen noch heute in Bern angesiedelt ist, habe er immer noch eine enge Verbindung zu seiner Heimat.

Was er für ein Mensch ist, wollen wir vom selbständigen Filmproduzenten wissen. Hier winkt er ab. Das sei etwas, das man seine Freunde fragen müsse, meint er bescheiden.



Gefühlschaos beim Coming-out

Gemerkt, dass er schwul ist, habe er vermutlich schon als Kind. «Richtig verstanden habe ich das aber erst mit 19 Jahren, als ich längere Zeit selbständig in New York gelebt habe und dort den richtigen Rahmen hatte, um mich mit meiner wahren Identität auseinanderzusetzen und zu mir selbst zu finden.» Sein Coming-out bezeichnet Ivan als Schock und gleichzeitige Gefühlsexplosion.

Sich als junger Erwachsener erstmals richtig selbst anzuerkennen und seine Queerness gleichzeitig mit dem ganzen Freundeskreis, der Familie und der Restwelt zu teilen, bezeichnet er als «total überfordernd» und lacht dabei. «Irgendwie ist es aber auch schön zu sehen, dass man im Leben Phasen hatte, in denen man völlig aus dem Häuschen war, und man diese irgendwie ganz gut überstanden hat.» Das gebe einem eine innere Stärke und ein anhaltendes Urvertrauen.

Im Ausgang sieht man Ivan Madeo eigentlich selten, da er fast immer auf Achse ist. Wenn er nicht beruflich an Filmfestivals, auf Dreharbeiten, an Preisverleihungen, Filmmärkten und Workshops unterwegs ist, dann verbringt er die wenige Restzeit fast immer mit Freunden oder der Familie, «weil ich sie viel weniger oft sehe, als ich das möchte». Diese Treffen finden dann meistens in Restaurants und Bars statt, weil er sehr gern gut esse und trinke.

Zum Abschalten und Runterfahren geht er am liebsten in Galerien und Museen, was er im Übrigen auch ganz gut alleine bewerkstelligen könne. «Das mit den Ausstellungen hört sich jetzt wahnsinnig bieder an, wenn ich mir das so überlege», sagt der baldige Golden-Apple-Preisträger lachend. «In Wahrheit sind es Ausbrüche aus dem Alltag, in denen ich mich neu sammeln kann.»

Kreativer Schaffer mit grossem Netzwerk

In der Laudatio zur mit 3000 Franken dotierten Pink-Apple-Auszeichnung heisst es, dass Ivan sehr kreativ und auch ein guter Netzwerker ist. «Kreativ?», fragt er nach. «Ich bin immer neugierig, unkonventionell und forsch im Denken gewesen, das glaube ich schon.» Und Träume und Visionen hätten ihn in seinem privaten Handeln und beruflichen Schaffensdrang immer angetrieben. «Deshalb habe ich mich in der sogenannten Kreativbranche auch immer wohl gefühlt.» 

Wir wollen vom Produzenten des Films «Der Kreis» auch wissen, wie wichtig für ihn sein Netzwerk ist und was für Menschen dieses Netzwerk umfasst. «Dabei handelt es sich um ein wunderbar diverses Netz von charakterlich, beruflich, ideologisch und gesundheitlich sehr unterschiedlichen Menschen.» Und ja, aus «diesem Füllhorn von Leuten mit ihren eigenen Lebensgeschichten, Talenten, Ambitionen» jene zusammenzubringen, die für ein Projekt am besten zusammenpassen und bei denen das Ganze mehr wird als die Summe seiner Einzelteile – das mache er in der Tat äusserst gerne.

Die Suche nach dem Kontrast

Schon im Gymnasium wusste Ivan, dass ihn Geschichten auf dem grossen und kleinen Screen besonders interessieren. Deshalb wollte er neben seinem Studium in Klinischer Psychologie auch im Bereich Film und Fernsehen studieren. «Da habe ich meine ersten filmischen Gehversuche gemacht.» 

Nach dem Studium musste er Geld verdienen, weshalb er in die Werbung gegangen ist. Dort hat er mehr als zehn Jahre in internationalen Netzwerkagenturen, von Publicis und Havas in Zürich über McCann Erickson Milano bis hin zu FCB Global in Hamburg gearbeitet. Weil er dort seine Leidenschaft für den Film nur bedingt ausleben konnte, hat er seine eigene Filmproduktionsgesellschaft gegründet. «Das war der Moment, als mein Freund Urs Frey, der damals ebenfalls in der Werbung tätig war, und ich als Kontrast zu unserem früheren Leben unsere eigene Filmproduktion ‘Contrast Film’ gegründet haben.»

Contrast Film ist heute ein achtköpfiges Team, das Spielfilme, Dokumentarfilme, Serien und Entertainment-Formate produziert. Das Unternehmen gehört damit zu den grössten Produktionsfirmen in der Schweiz. «Wichtiger als die Grösse ist mir aber die Stabilität und Qualität unseres Outputs», betont der Wahlzürcher.

Eine wichtige queere Stimme

«Vielfältiger Output an Serien und Filmen»

Das queere Schweizer Filmfestival Pink Apple ehrt jedes Jahr eine Persönlichkeit, die sich in der LGBTIQ-Filmwelt verdient gemacht hat. «Ivan hat gerade in den letzten drei Jahren einen enorm vielfältigen und breiten Output an Serien und Filmen vorzuweisen, viele seiner Filme haben queere Figuren oder basieren auf queeren Geschichten», sagt Andreas Bühlmann. Daher bezeichnet der künstlerische Ko-Leiter des Pink Apple den diesjährigen Preisträger gewissermassen auch als Glücksfall, weil Ivan Madeo sowohl queerfeministische, lesbische wie auch schwule Inhalte für die Leinwand produziert. «Mit ihm als Schweizer Schwergewicht in der Filmbranche konnten wir zudem auch einen lokalen Bezug zum Standort Zürich herstellen, von wo aus Ivan heute ja tätig ist.»

Der Film «Der Kreis» ist Andreas Bühlmanns persönlicher Favorit. «Damit hat Ivan einen schwulen Schweizer Filmklassiker geschaffen, der sowohl den Publikumspreis der Berlinale als auch den Teddy Award im Jahr 2014 gewann.» Ivans Film diene nicht nur als wichtige Quelle für die Schweizer Schwulengeschichte, sondern habe auch neue Massstäbe in der historischen Aufarbeitung queerer Inhalte im Schweizer Film gesetzt. 

Auch persönlich ist der künstlerische Co-Leiter des Pink-Apple-Festivals vom Filmschaffenden angetan: «Ivan ist ein sehr herzlicher Mensch, der mit seinen Regiepersonen respektvoll umgeht und sie in ihrem kreativen Prozess begleitet.» Diese Menschlichkeit sei in all den von ihm produzierten Filmen spürbar. Er kreiere Werke und Serien, die gesellschaftsrelevante Themen aufgreifen und zum Denken anregen würden. Gleichzeitig spüre man seine vorhergehende Tätigkeit als Werbetexter in all seinen Arbeiten und der Promotion seiner Filme. «Er verbindet daher geschickt das Künstlerische mit der marketingrelevanten Perspektive», bringt Andreas Bühlmann die Qualitäten des Ausgezeichneten auf den Punkt.

Den Golden Apple zu erhalten sei eine Ehre

Als «unerwartet schön» bezeichnet Ivan Madeo die Auszeichnung, die ihm Anfang Mai in Zürich verliehen wird. «Wenn ich denke, dass die wunderbare Christine Vachon, Léa Pool oder Lionel Baier diese Auszeichnung vor mir erhalten haben, bekunde ich schon etwas Mühe, das mit mir in Verbindung zu bringen», so sein bescheidenes Statement dazu.

Viele queere Filme von Kolleginnen und Kollegen haben sich auch in sein Herz gespielt, wie beispielsweise der Schweizer Film «F. est un salaud» oder der weltbekannte «Brokeback Mountain». Auch der herzzerreissende «All of us Strangers» oder die Serie «Young Royals» gehören zu seinen Favoriten.

Ivan träume wirklich gerne, aber nicht von Auszeichnungen. Insofern auch nicht von einem Oscar, der ihm irgendwann einmal verliehen werden könnte. «Aber wenn ein Oscar einmal kommen sollte, würde ich ihn sehr gerne nehmen und mich daran genauso erfreuen und ihn genauso schnell wieder vergessen, wie das bei allen anderen nationalen und internationalen Filmpreisen bis dato der Fall war.» Auszeichnungen seien für ihn nämlich keine Ziele. «Ich sehe sie lieber als Startlinie für das nächste, noch mutigere Projekt.»

Weiterhin wird der Schweizer Filmprofi auch LGBTIQ-Projekte realisieren. So würden bei ihm bereits jetzt weitere Stories auf dem Tisch liegen: «Selbstverständlich! Und noch viele mehr in meinem Herzen, von denen ich noch gar nichts weiss.» Denn queere Themen seien für ihn nicht wichtig, sie seien für ihn selbstverständlich.

Am Donnerstag, 1. Mai, 18 Uhr nimmt Ivan Madeo im Filmpodium Zürich den Golden Apple 2025 entgegen.

Am Freitag, 2. Mai, 18 Uhr findet im Film-
podium Zürich ein Werkstattgespräch mit 
Ivan Madeo statt.

Das Pink Apple zeigt insgesamt sechs von Ivan Madeo produzierte Langfilme.

 

 


Pink Apple Edition 28

Das queere Filmfestival startet dieses Jahr am 29. April in Zürich und dauert bis am 8. Mai. Danach schlägt Pink Apple seine Zelte in Frauenfeld auf und zwar vom 9. bis 11. Mai.

Das Festival wird zum ersten Mal im Kino Riffraff stattfinden, nah am neuen Festivalzentrum an der Zollstrasse. 

Die beiden Grossveranstaltungen des Pink Apple, die Opening und Closing Night, werden weiterhin im Kino Le Paris stattfinden. Neu arbeitet das queere Filmfestival auch mit der Heldenbar als Party-Location zusammen.

Ein Schwerpunktthema wird «Sex Work» mit der Ausstellung «With Legs wide open» im Feministischen Streikhaus. 

Männliche Sexarbeit ist das Thema einer Diskussionsrunde im Theater anundpfirsich am 7. Mai, 19 Uhr.

Weitere Themen: 
Fankultur im Frauenfussball
Nonbinarität
The Power of Communities
Queere Menschen auf der Flucht
Die Queerness des ESC.

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