«Spucken oder Schlucken? Eine Frage so alt wie die Menschheit»! So beginnt eines der vielen Videos auf dem TikTok-Kanal von Dr. Gay. Es geht gleich anschliessend über in eine Erklärung rund um die Ansteckungsgefahr beim Oralsex.
Sexuelle Gesundheit ist für die queere Community weiterhin ein wichtiges Thema. Längst ist es nicht bloss HIV, vor dem es sich zu schützen gilt und wo Aufklärung benötigt wird. Marc Eggenberger hat sich genau das zur Aufgabe gemacht. DISPLAY hat mit dem Social-Gesicht von Dr. Gay über seine Arbeit gesprochen.
Interview Josia Jourdan | Bilder Stella by Select Fotostudio
DISPLAY: Marc, worin besteht deine Arbeit?
Marc: Ursprünglich bin ich als Social Media-Manager angestellt worden und habe damit begonnen, die Kanäle zu leiten und Inhalte zu produzieren. Dazu gehört auch TikTok, da wir damit besonders auch die jüngere Zielgruppe erreichen möchten.
Im letzten Jahr sind die Mpox (Affenpocken) ausgebrochen und wir haben einen Dienstleistungsvertrag mit dem BAG abgeschlossen, um unsere Community zu sensibilisieren. Die Koordination und Umsetzung dieses Projekts war in den letzten Monaten meine Hauptaufgabe.
Wir beantworten zudem auch täglich Fragen und beraten anonym über Website und Social Media, das ist quasi unser «Kerngeschäft».
Hast du dich bewusst dafür entschieden, das Gesicht von Dr. Gay in den sozialen
Medien zu werden?
Ich hatte schon Respekt vor der Aufgabe. Zuerst wollte ich mehr mit anderen gemeinsam filmen und eher hinter der Kamera sein. Schnell haben wir dann aber gemerkt, dass gerade auf TikTok Videos mit der immer gleichen Person gut funktionieren und dass das Filmen mit anderen auch extrem zeitintensiv ist.
Durch den Entscheid, dass ich Dr. Gay auf TikTok repräsentiere, habe ich mich dann regelmässig selbst vor die Kamera gestellt. Mittlerweile bin ich es mir gewohnt und mag die Kreativität, mit der ich die Videos erstellen kann.
Wie sind die Reaktionen?
Grundsätzlich gut. Wir erreichen viele junge Schwule und andere Queers, machen auf Themen der sexuellen Gesundheit aufmerksam. Es gibt auch immer wieder homofeindliche Kommentare. Das lässt sich kaum vermeiden. Ich versuche, mir das aber nicht zu Herzen zu nehmen.
Wie gehst du an so ein Video heran?
Dr. Gay ist und war schon immer direkt. Wir wollen Themen wie sexuelle Gesundheit und besonders sexuell übertragbare Infektionen entstigmatisieren und die richtigen Worte verwenden. Dabei verzichten wir auf komplizierte Begriffe und setzen vielmehr auf authentische Sprache, die für alle verständlich sein soll.
Welches Thema liegt dir persönlich besonders am Herzen?
Es wird viel zu wenig über psychische Gesundheit gesprochen. Dabei ist das gerade in der LGBTQ+-Community oft ein zentrales Thema und es fehlt an Aufklärung und Angeboten. Wir arbeiten da kontinuierlich dran. Es braucht aber einen gesamtgesellschaftlichen Wandel, dass wir offener und mehr über mentale Gesundheit sprechen und das kein Tabu mehr ist.
Welche Vorurteile begegnen dir rund um sexuelle Gesundheit?
Es gibt immer noch viel Unwissen, aber auch veraltete Infos, die herumgeistern. Von falschen Ansteckungsängsten bis hin zu diskriminierendem Verhalten gegenüber Menschen, die mit HIV leben, gibt es immer noch viel zu tun. Gerade deshalb sind Gesundheitszentren wie die Checkpoints auch so wichtig, in denen stigmafrei und kompetent beraten, getestet und behandelt wird.
Marcs wichtige Fakten zur Gesundheit
→ Menschen mit HIV unter erfolgreicher Therapie übertragen das Virus nicht. Auch nicht beim Sex ohne Gummi.
→ Ein Kondom schützt vor HIV, aber nicht zuverlässig vor anderen STI. Wer Sex mit mehr als einem Partner hat, lässt sich regelmässig testen, idealerweise zweimal pro Jahr.
→ Eine Ansteckung mit HIV ist frühestens nach 15 Tagen nachweisbar, aber erst nach 6 Wochen mit Sicherheit ausschliessbar.
→ STI können auch symptomlos verlaufen. Nur regelmässig testen lassen verschafft dir Klarheit.
→ HIV überträgt sich beim Blasen nicht. Egal, ob Sperma in den Mund gelangt oder nicht.
Marc Eggenberger arbeitet seit einem Jahr für Dr. Gay. Angefangen hat er als Social Media-Produzent, mittlerweile leitet er die gesamten Social Media-Kanäle und fungiert als Gesicht von Dr. Gay auf TikTok. Dafür reist er auch mal durch die Schweiz und interviewt Ärzte oder Menschen aus der Community. Gleichzeitig gestaltet er mitunter die Kommunikationskampagne rund um den Ausbruch der Affenpocken mit und beantwortet die damit einhergehenden Fragen.
Dr. Gay
Mit dem Ziel der Aufklärung und Beratung im Bereich sexueller Gesundheit engagiert sich Dr. Gay für die queere Community. Mit Dr. Gay ist die Aids-Hilfe Schweiz nicht nur via Social Media, Broschüren und regelmässigen Kampagnen rund um sexuelle Gesundheit in der Community sichtbar, sie bietet auch das ganze Jahr über Beratung an. Dabei können via Onlineformular oder (bald auch) WhatsApp-Chat Fragen gestellt werden, die von Mitarbeitenden des Präventionsteams der Aids-Hilfe Schweiz beantwortet werden. Der Name Dr. Gay ist inspiriert vom Beratungsangebot Dr. Sommer der BRAVO und soll für die queere Community eine Anlaufstelle bieten.
Teil der 40 Mitgliedsorganisationen der Aids-Hilfe Schweiz als Dachverband sind unter anderem die kantonalen Checkpoints. Die Aids-Hilfe Schweiz finanziert ihre Arbeit mit Beiträgen des Bundesamtes für Gesundheit, aber besonders auch Spenden aus der Community.
Beratungsangebot: Auf der Webseite findet sich ein Chatbot mit direkter Beratung rund um Fragen der sexuellen Gesundheit von queeren, schwulen und bisexuellen Männern.
drgay.ch