Neu geboren | Philipp Fankhauser springt dem Tod von der Schippe

Neues Blut – neues Leben: Ab Anfang März steht Philipp Fankhauser nach mehr als einem halben
Jahr krankheitsbedingter Pause wieder an seinem Lieblingsort: auf der Bühne. Der Schweizer Blues-Musiker par excellence feiert sein Comeback – pünktlich zu seinem runden Geburtstag.

Von Marcel Friedli-Schwarz

Einen Tag nach seinem Geburtstag steht Philipp Fankhauser – endlich wieder! – auf der Bühne. Nach sieben Monaten des Bibberns, Hoffens, Zweifelns. «Es geht genau auf», sagt Philipp, «genau auf den Sechzigsten.» Mit dieser Zahl spielt auch der Titel seiner Tour, die am 1. März startet: three times twenty, drei mal zwanzig. 

Die sechzig, das ist die offizielle Zahl. Inoffiziell hat für Philipp eine neue Zeitrechnung begonnen. Und zwar am 25. Juli 2023: Dann hat er für sein krankes Knochenmark neue Stammzellen erhalten. Deshalb verschiebt er seinen Geburtstag vom Spätwinter auf diesen für ihn magischen Tag im Hochsommer. «Ich bin wahnsinnig dankbar, dass mir ein zweites Leben geschenkt worden ist. Nun hoffe ich», sagt er mit einem Grinsen, «dass ich noch zwanzig Jahre alt werde.»

Das Grinsen ist Philipp, trotz seines Humors, ab und zu vergangen. Aufgrund der Krankheit schafft es der Thuner manchmal kaum, mit seinem Hund Trevor nach draussen zu gehen. Die Luft geht ihm aus, er ist ständig am Schnaufen, schwindlig wird ihm. Er braucht einen Stock. Ist dauernd müde, schnell erschöpft und lustlos. «Zu merken», sagt Philipp, «dass einem der Körper wegstirbt, ist eine furchtbare Erfahrung. Ich hatte Angst, Endzeitstimmung und eine Phase von Mitleid mit mir selber: Ich dachte, ich müsse sterben.»

Auf der Bühne hingegen ist ihm nichts anzusehen, nichts anzumerken: Er bluest mit seiner Band die Hallen, spielt vom Januar letzten Jahres bis zum Eingriff im Juli fünfzig Konzerte. Mit Mühe und Not schafft er es jeweils auf die Bühne. «Dort angelangt, war die Energie jeweils da. Adrenalin pur. Da war ich wieder der Fankhauser von früher.» Er erinnert sich an ein Fest, an dem er mit seiner Band in einem Zelt spielt. «Junge tanzten im Sog der Musik, eine sensationelle Stimmung!»


Die Krankheit, die Philipp Fankhauser hatte, heisst Myelofibrose. Sie ist sehr selten. Dabei ist das Knochenmark lebensgefährlich erkrankt. Es kann zu wenig Blut produzieren. 

Den passenden Spender zu finden, ist wie ein Sechser im Lotto. «Stimmen zwölf Komponenten zwischen Spender und Empfänger überein, spricht man von einem idealen Verlauf», erklärt Philipp. «Bei mir gibt es elf Matches. Lediglich die Blutgruppe stimmt nicht. Das ist aber der unwichtigste Faktor. Jetzt habe ich einfach eine neue Blutgruppe.»

Die Behandlung von Myelofibrose ist jedoch mit vielen Risiken behaftet. «Es kann sein, dass die neuen Stammzellen den Körper abstossen. Das ist dann heftig», sagt Philipp. «Davor hatte ich Angst.» Zudem liegt das Risiko, in den ersten gut drei Monaten nach der Transplantation zu sterben, bei zwanzig bis dreissig Prozent. 

Philipp übersteht diese Phase ebenso wie die Zeit danach: «Ich hatte null körperliche Reaktionen. Als hätten sie via Katheter Wasser reingelassen – und keine braunbeige Stammzellensuppe.»


Voller Einsatz an jedem Konzert. Bis zum Schnitt am 25. Juli. 

Vorher bekommt er kalte Füsse. Liest im Internet zu vieles über die gefährliche Krankheit, das ihm Angst macht. Denn die Therapie ist mit etlichen Risiken behaftet. «Ich fragte mich, ob die zwei Jahre reichen, die mir ohne Transplantation bleiben würden. Lebensmüde war ich nicht. Aber auch nicht mehr lebensfroh.» 

Doch einer seiner Ärzte, der über die Jahre zu einem Freund und Vertrauten geworden ist, lässt ihm den Rückzieher nicht durchgehen. «Er hat mich angeschnauzt und sagte, dass ich die Transplantation der Stammzellen gefälligst machen lassen soll. Da habe ich halt eingelenkt. Heute bin ich ihm dankbar. Er hat mir den Tritt gegeben, den ich nötig hatte.»

Philipp will es nun wenigstens versuchen. Sich ans Mögliche herantasten. Zumal er vom Glück begünstigt ist: Es findet sich ein Spender! «Diesem Menschen irgendwo auf der Welt, der mir seine Stammzellen geschenkt hat, bin ich unendlich dankbar, dass er das alles auf sich genommen hat. Dank ihm lebe ich! Und anders als bei einer Organspende lebt auch dieser Mensch. Irgendwo auf der Welt.» 

Am liebsten möchte er seinen Spender kennenlernen. Aufgrund des Datenschutzes ist dies nicht möglich. Schreiben jedoch kann er ihm, Briefe werden weitergeleitet. «Ich habe vor, ihm noch zu danken. Ihm habe ich ja mein neues Leben zu verdanken.»

Es sei vermutlich «ein knuspriger junger Mann», sagt Philipp mit einem Schmunzeln. «Es könnte auch eine Frau sein. Das spielt für die Therapie keine Rolle. So oder so habe ich nun nicht wallende blonde Haare. Ich sehe aus wie früher und bin mit Vergnügen derselbe wie früher. Bin kein Tänzer auf dem Seil in luftiger Höhe.» 

Auch seine sexuelle Orientierung und Identität ist dieselbe geblieben, wie Philipp nachschiebt. «Ich bin auch nicht etwa heterosexuell geworden mit dem Wunsch, Kinder zu machen. Für mich ist es keine Laune der Natur, schwul zu sein. Obwohl es nicht nur einfach war und ist, bin ich dankbar dafür.»

Die Therapie führt zu einem Reset für den ganzen Körper. Philipp hat eine neue DNA, eine neue Blutgruppe und ein Immunsystem wie ein Neugeborener – eine Neugeburt, neu geboren. Dies bedeutet zwar, das Immunsystem neu aufzusetzen und zu trainieren. Hat aber einen äusserst erfreulichen Nebeneffekt: Morbus Bechterew, Philipps rheumatische Erkrankung der Wirbelsäule, ist weg – und damit ist er die starken Schmerzen los, die ihn schon so lange begleiten.

Bei allem Dunklen in seinem Leben hilft ihm der Blues. Denn mit ihm hat Philipp seine Berufung gefunden. Die er, sofern die Gesundheit mitspielt, nun wieder leben kann. 

Zum Glück.

Dank Glück.  


Bluesmusiker Philipp Fankhauser ist offen schwul. Von 2008 bis 2013 ist er mit dem brasilianischen Tanzlehrer Marcelo Gonçalves verpartnert.

Seine nationale Bekanntheit verdichtet sich mit seinem Engagement vor gut zehn Jahren als Juror der Castingshow «The Voice» bei SRF. 2015 gewinnt er den Swiss Music Award als bester männlicher Künstler. Acht Jahre später wird er für zwei weitere solche Preise nominiert.

Als er elf ist, entdeckt der gebürtige Thuner die Liebe zu schwarzer Musik, insbesondere zum Blues. Mit seiner 1987 gegründeten Checkerboard Blues Band geht er dreizehn Jahre auf Tour.

Ab Ende der 1990er-Jahre nimmt er fast zwanzig CDs auf, solo oder mit diversen Bands. Regelmässig ist er in der Schweiz und in Europa sowie in den USA mit Konzerten unterwegs.

– Seit Anfang März ist Philipp Fankhauser mit seiner Band wieder live auf der Bühne zu sehen.Dies unter dem Motto: three times twenty (drei mal zwanzig). An folgenden Abenden im März:

– Am 1. in Stäfa, 9. in Kirchberg SG, 10. in Wolhusen, 13. und
14. in Burgdorf, 16. in Mels. 

– Weitere Konzerte:
philippfankhauser.com