Wenn HIV zur Phobie wird

Das Wort «Phobie» bedeutet Angststörung. Eine Störung liegt vor bei einer übertriebenen Angst, ohne dass eine reale Gefahr besteht. Dr. Gay erhält regelmässig Anfragen von Männern, die Angst vor einer Ansteckung haben. Eines steht aber fest: HIV überträgt sich nicht per Zufall. «Was wäre wenn . . . »-Fragen sind spekulativ und bringen niemandem etwas. Sie beunruhigen den Phobiker nur.

Was, wenn ich mich beim Onanieren auf einer öffentlichen Toilette mit HIV angesteckt habe? Ist vielleicht beim Sex das Kondom abgerutscht? Könnte beim Blasen etwas Sperma in meinen Mund gelangt sein?

Spekulationen sind ein schlechter Berater, wenn es um Risikoeinschätzungen geht. Denn möglich wäre vieles. Das Auto könnte gegen die Wand fahren und in Flammen aufgehen. Das Flugzeug könnte abstürzen. Die Bombe könnte genau dann und dort hochgehen, wo ich gerade bin. Sicherlich alles im theoretischen Bereich des Möglichen. Aber wie wahrscheinlich ist es?

PrEP als Angstlöser | Fest steht: Wer Safer Sex praktiziert, muss sich um HIV keine Sorgen machen. Kondome sind nach wie vor die einfachste und günstigste Schutzmethode. Aber auch andere Schutzmöglichkeiten kommen dazu. Mit der sogenannten Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) ist es möglich, sich durch die Einnahme von Medikamenten sicher vor dem HI-Virus zu schützen. Richtig eingenommen, schützt sie genauso gut wie Kondome, egal bei welcher Sexpraktik.

Dies könnte für HIV-Phobiker eine Möglichkeit sein, ihre Phobie zu überwinden. Ebenso kann es beruhigend wirken, dass HIV-positive Menschen unter wirksamer Therapie HIV nicht weitergeben können, weil die Viruslast nicht nachweisbar ist. Wo kein Virus ist, gibt es keine Übertragung.

Grundsätzlich gilt es vernünftig mit Schutzmassnahmen umzugehen. Das heisst, dass wir uns dort schützen, wo und so gut wir können, ohne dass dabei unsere Lebensqualität allzu sehr eingeschränkt wird.

Psychologische Beratung | Angst ist ein natürliches Grundgefühl, das uns vor Gefahren warnen soll. Seien es nun Spinnen, Spritzen oder Clowns, die meisten Menschen haben vor irgendetwas Angst. Von einer Angststörung spricht man dann, wenn der Alltag durch die unverhältnismässige Angst sehr eingeschränkt wird und der Betroffene unter diesem Umstand leidet.

Manchmal kann eine psychologische Beratung hilfreich sein. In der Schweiz haben die meisten Checkpoints entsprechende Angebote im Programm. Mehr Informationen gibt es auf mycheckpoint.ch.

Der Test als Sicherheit | Wer absolute Sicherheit sucht, findet diese im HIV-Test. Ist er negativ, ist alles gut. Bei einem positiven Ergebnis kann sofort mit der Therapie begonnen werden. So nimmt man dem Körper den Kampf gegen HIV ab und ist innerhalb kurzer Zeit nicht mehr infektiös. Regelmässiges Testen und Behandeln ist also durchaus sinnvoll. Allerdings nur, wenn tatsächlich ein Risiko bestand. HIV-Phobiker neigen dazu, sich mehrmals grundlos testen zu lassen. Schliesslich bringt aber auch der HIV-Test keine Ruhe, sondern vergrössert ihre Angst nur umso mehr. ||

Dr. Gay