Plexiglas, Zeichnungen, nackte Haut und Grindr-Chats – der Genfer Künstler Damien Juillard beschäftigt sich mit queeren Codes sowie Technologie. Doch wer ist das aufstrebende Kunsttalent? DISPLAY hat nachgefragt.
Text Josia Jourdan Installationen Damien Juillard
Ich treffe Damien in einem kleinen Café in Berlin. Er lebt aktuell in einer Künstlerresidenz in der deutschen Hauptstadt und arbeitet an neuen Projekten, sowie einer Soloausstellung.
Aufgewachsen ist Damien Juillard in Genf. Er hat dort Grafik studiert und sich anschliessend dazu entschieden, an der HEAD Genève ein Studium im Bereich der Fine Arts anzuhängen. «Ich wollte mehr Freiheiten und weniger abhängig von Kunden und Auftragsarbeiten sein», betont er. Das Studium hat ihn unter anderem auch nach Japan, sowie für seinen Master nach Basel gebracht. Seit seinem Abschluss arbeitet er nun Vollzeit als Künstler.
JJ | 2022 | smartphone work inkjet print on textile banner, stickers, plexiglass | exhibited in I want you so bad at Soul2soul, Geneva | Photo: YAL
Zwischen Clubtoilette und Eau de Parfum
Juillards Kunst lässt sich nicht klar kategorisieren und bewegt sich zwischen Plastiken, digitalen Scans und Gemälden, die in Installationen präsentiert werden. So richtig begrenzen möchte er sich nicht und sucht auch immer wieder Wege, seine Kunst erlebbar und immersiv zu machen. So hat er für eines seiner Projekte sogar ein eigenes Parfüm mit dem Zürcher Parfümeur Andreas Willhelm kreiert, das an eine heisse Nacht in einem Club erinnern und das Kunstwerk auf verschiedenen Sinnesebenen erlebbar machen soll. Das dazugehörige Kunstwerk waren Badzimmerfliesen in Schwarz, die durch eingeritzte Zeichnungen, Sticker und diverse weitere Details die Atmosphäre einer Clubtoilette repräsentieren sollen.
«Beim Scannen meines Handybildschirms sind Nachrichten von Grindr aufgetaucht, die sich nun auch in den Werken wiederfinden»
«Die Materialien, die ich auswähle, um anschliessend die Zeichnungen, Scans und Sticker zu präsentieren, sind genauso wichtig wie die Bilder, die ich präsentiere», betont er. Es geht um ein physisches Erleben, weshalb seine Kunstwerke oft in Form einer Installation präsentiert sind.
Corona und Grindr
Während der Covid-Pandemie und seinem Master in Basel hat Damien keinen Atelierraum gehabt und wie die meisten anderen auch viel Zeit zu Hause verbracht.
«Ich habe in meinem Bett gearbeitet. Es war sehr intensiv», erinnert er sich. «Ich war zu dieser Zeit oft auf Grindr und habe gleichzeitig auf einer digitalen Zeichnungsapp Fotos, Interaktionen und Profile verarbeitet, zu Collagen zusammengefügt und anschliessend in ein Projekt einfliessen lassen.»
Intimitäten und persönliche Erlebnisse fliessen zwar in seine Kunst, trotzdem bremst er sich innerhalb unseres Gespräches immer wieder und meint, dass ihm der Fokus auf seine Kunst wichtiger als der auf seine Persona sei.
now or forever | 2022 | smartphone work inkjet print on textile banner, stickers, plexiglass | Photo: Stefan Altenburger
Technologie und Zukunft
Seine Kunst beinhaltet zwar viele queere Codes, ist in ihrer Form aber nicht auf den ersten Blick als homoerotische Kunst erkennbar, obwohl sich immer wieder Körper und Ausschnitte von Fotos von Männern wiederfinden. Vielmehr möchte Juillard, dass die Betrachtenden sich auf eine Entdeckungsreise begeben. Dafür arbeitet er vielschichtig und mit unterschiedlichsten Elementen. Die Plexiglaskästen spiegeln den Betrachter, täuschen gleichzeitig eine Screen-Ähnliche Fläche vor. Sie spielen so mit Themen wie Voyeurismus und Exhibitionismus, die auf Dating-Apps und sozialen Medien eine grosse Rolle einnehmen. Zudem sollen die Werke zu den Betrachtenden sprechen, dafür finden sich kleine Details, Textnachrichten aus Chats und kleine digitale Flirts. Manches davon ist geplant entstanden, anderes hat sich so ergeben. «Beim Scannen meines Handybildschirms sind Nachrichten von Grindr aufgetaucht, die sich nun auch in den Werken wiederfinden.»
Utopia is a feeling I | 2021 | detail | exhibited in World’s Rainbow at Kunsthaus Baselland
Ebenso beschäftigt sich Juillard mit Fragen zur technologischen Entwicklung. Der Künstler hat sich während seines Aufenthalts in Berlin intensiv mit der Recherche und Vertiefung von Fragen rund um unsere Zukunft auseinandersetzt. Dabei geht es sowohl um künstliche Intelligenz und wie sie unser zukünftiges Leben beeinflussen wird, als auch um Fragen der individuellen Wahrnehmung unseres technologischen Fortschritts. «Mich beschäftigen Algorithmen. Wir können uns digital nicht verstecken, gleichzeitig haben wir wenig Einfluss darauf, was wir sehen. Wer profitiert von Algorithmen? Wie verändern sie uns und unsere Wahrnehmung und Sicht auf die Welt und gesellschaftliche Themen?»
Dafür liest er sich in Fachzeitschriften und Bücher ein, führt Gespräche und versucht sich selbst einen besseren Überblick über aktuelle Entwicklungen zu verschaffen.
«Es ist längst keine Parallelwelt mehr, sondern unser digitales Leben hat Einfluss auf die Realität. Die Welten sind längst ineinander verflossen». Gerade deshalb möchte er aktuell trotzdem greifbare Kunst machen, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzt und so aufzeigen, dass die Grenzen verschwimmen und wir uns auch in der Realität mit der Digitalität tagtäglich konfrontiert sehen.
Zukünftig plant er weiterhin die Entwicklung neuer Projekte und ist sowohl daran interessiert, Ausstellungen und Installationen umzusetzen, als auch den Kunstmarkt zu beliefern und seine Werke für Sammler und Privatpersonen erwerbbar zu machen. Dabei möchte er sich mit existenziellen Fragen auseinandersetzen, neue Formate entdecken und gleichzeitig weiterentwickeln, was er bereits umgesetzt hat. «Meine Kunst ist in ständiger Bewegung. Ich schliesse ein Projekt nicht ab und suche mir dann etwas komplett Neues. Manchmal verwende ich eine fünf Jahre alte Zeichnung oder greife eine bereits verwendete Technik oder Idee wieder auf», so Damien Juillard. Ende August hat er in einer viertägigen Ausstellung seine Installation «Eclipse» vorgestellt. Nun bereitet er sich für eine Soloausstellung in Freiburg vor, die planmässig ab Januar startet.