Susanne Bartsch calling

Eine Bernerin, die mit Andy Warhol Partys feierte, mit ihrem Love Ball New York verzauberte, RuPaul eine glorreiche Zukunft prophezeite: Das alles ist Susanne Bartsch, Fashion- und Nightlife-Ikone.

Die Schweizerin Susanne Bartsch gilt als eine der Ikonen der New Yorker Clubszene. Mit ihren spektakulären Looks, unvergesslichen Events und glamourösen Fundraising-Veranstaltungen hat sie das Nachtleben geprägt. Besonders in den 1980er-Jahren erlangte sie mit legendären Events wie dem «Love Ball» Berühmtheit, bei dem sie High Fashion, Prominenz und die Ballroom-Szene aus Harlem zu einer einzigartigen Mélange vereinte. Im Gespräch mit DISPLAY gewährt die schillernde Persönlichkeit Einblicke in ihre Projekte.

Ich erreiche Susanne Bartsch per WhatsApp-Call, während sie sich gerade in Upstate New York befindet. Die Verbindung ist schlecht – sie ist unterwegs, holt sich im Drive-in einen Kaffee. Eine Szene, wie sie US-amerikanischer kaum sein könnte. Ich rufe aus Buenos Aires an, und wir sprechen Englisch. «Du bist aus der Schweiz nach Buenos Aires gezogen, that is a good move», sagt sie – irgendwie erhebend, das von der Nightlife-Queen persönlich zu hören.

Amanda Lepore Foto: SMLTD

Welcome to Bartschland

Ob ich ihr kürzlich erschienenes Buch «Bartschland – Tales of New York City Nightlife» bereits gesehen habe, fragt sie mich. Leider noch nicht in physischer Form, muss ich zugeben. «Das Buch ist mein Leben in Bildern», erklärt sie. Ein Leben voller Exzesse und Kreativität. Ihre Partys locken kreative Seelen und extravagante Künstler*innen aus aller Welt an, von Paris bis Tokio. 

RuPaul, die wohl bekannteste Dragqueen weltweit und langjährige Freundin von Susanne, hat das Vorwort beigesteuert. Es war Susanne, die RuPaul für eine der legendären Partys «Savage»
engagierte und der Drag prophezeite: «You Are A Star». Seither sind die beiden unzertrennlich.

«Till this day, Susanne is the person that so many
young dreamers count on to color their world.
I love Susanne endlessly.» – RuPaul

RuPaul Foto: Roxanne Lowit

Ikone des Nachtlebens

Seit den 1980er-Jahren gehört Susanne Bartsch zum Inventar des New Yorker Nachtlebens und der LGBTIQ+-Szene. Mit ihrem ersten «Love Ball» im Jahr 1989 schuf sie einen Event, der die New Yorker Ballroom-Community mit Stars aus der Popkultur und der High-Fashion-Szene verband – mit dem Ziel, Geld für den Kampf gegen Aids zu sammeln. Viele ihrer Freunde und Wegbegleiter fielen der Krankheit zum Opfer. Mit drei weiteren Love Balls konnte sie bis heute Millionen für den guten Zweck aufbringen – und ein weiterer Ball ist bereits in Planung.

«The Swiss Miss»

Obwohl Susanne Bartsch schon lange nicht mehr in der Schweiz lebt, bleibt ihre Verbindung zum Heimatland stark. Derzeit arbeitet sie an einer Ausstellung für das Museum für Gestaltung in Zürich, die im Juni 2025 eröffnet werden soll. Es ist ihr Beitrag, die Welten von Kunst, Mode und Aktivismus miteinander zu verknüpfen und ihr Lebenswerk zu präsentieren.

Im Sommer 2024 war Susanne Bartsch bei der Zurich Pride dabei. «Die Zurich Pride war fantastisch, ich hatte eine wundervolle Zeit. Es war grossartig zu sehen, wie die Schweiz Diversität feiert. Ich fühle mich hier willkommen und bin sehr gerne Schweizerin», erzählt sie begeistert. Auf die Frage, was es für sie bedeutet, Schweizerin zu sein, antwortet sie: «Ich finde die Passfarbe sehr schön. Und ich schätze die Neutralität der Schweiz. Ich habe eine tiefe Verbundenheit zu diesem Land.» Ihre Schwester und ihr Bruder leben noch immer dort.

Bartsch mit Debi Mazar und Chanel Twins, Mondrian L.A.

«US-Politics is a disaster»

Susanne Bartsch wird auch politisch: «Die aktuelle US-Politik ist ein Desaster. Wir scheinen in einer Zeit zu leben, in der Fehlverhalten belohnt wird», fährt sie fort. «Du bekommst keinen Job bei einer Fast-Food-Kette mit einem Eintrag im Strafregister. Trump wurde verurteilt, und jetzt wurde er erneut zum Präsidenten gewählt. Es ist einfach unfassbar.»

«Ohne Social Media wären wir nicht in dieser Situation. Alle haben zu allem eine Meinung und verbreiten sie über Soziale Medien. Heute kann jede*r irgendetwas behaupten, und die Leute glauben es. Gäbe es Twitter respektive X nicht, wären Personen wie Trump nirgendwo.» Susanne Bartsch sieht die Entwicklungen durch Social Media und die Digitalisierung mit gemischten Gefühlen. «Früher gingen die Leute raus, um sich auszudrücken und Teil einer Community zu sein. Heute machen sie alles vom Sofa aus. Darunter leidet auch das Nachtleben», bedauert sie. «RuPaul nennt es ‹The Square›. Alles passiert online – Fitnesskurse, Klassen.» Susanne Bartsch erklärt, dass die digitale Welt zwar viele Möglichkeiten eröffnet, aber auch echte menschliche Interaktionen verdrängt. 

Gebeutelt von der Aids-Katastrophe

Für jemanden wie Susanne Bartsch, die das reale Nachtleben und das Zusammenspiel von Kreativität und Gemeinschaft verkörpert, ist dieser Wandel eine Herausforderung für die Zukunft der Szene. Die 1980er wünscht sie sich dennoch nicht zurück, denn diese Zeit war besonders schwierig. Die Aids-Katastrophe traf die queere Gemeinschaft mit voller Wucht. «Aids wurde als ‹Schwulen-seuche› geframed und brachte enorme Diskriminierung mit sich. Es war damals ein Todesurteil, heute zum Glück nicht mehr.»

Susanne Bartsch hat sich im Laufe der Jahre eine Marke aufgebaut. Das Museum im Fashion Institute of Technology (FIT) widmete ihr 2015 die Ausstellung «Fashion Underground: The World of Susanne Bartsch», in der 128 ihrer ikonischen Looks gezeigt wurden. 2018 feierte der Dokfilm «Susanne Bartsch: On Top» Premiere. Mit ihrer Wochenshow «Bartschland Follies» im McKittrick Hotel eroberte sie auch die Welt des Cabarets. 

Bartsch mit Zaldy, Lady Miss Kier, Thierry Mugler und Dimitry Brill.
Foto: Wouter Deruytter

Auch heute noch veranstaltet Bartsch aufwändige Events in New York und weltweit. Sie arbeitet mit Musiker*innen wie Mark Ronson, Icona Pop, Allie X und Kim Petras zusammen. Ihre Partys ziehen schillernde und extravagante Gäste an und finden an exklusiven Orten statt. 

Avant-Garde Self Expression

Susanne Bartsch ist eine LGBTIQ-Ikone, doch Self Expression ist nicht nur etwas für queere Menschen. «Ich kenne heterosexuelle Männer, die Drag machen, einfach, weil sie den künstlerischen Ausdruck lieben. Muffinhead (Insta: muffinheadtv) ist so ein Beispiel. Es geht dabei um Self Expression und Kunst. Der Schlüssel ist, Dinge auszuprobieren und zu experimentieren. Wenn du herausfindest, was du gerne machst, ist das ein grosses Geschenk. Schwieriger ist es, daraus eine Existenz aufzubauen. Wenn du das schaffst, hast du das ultimative Glück erreicht.»