Auf seiner Tournee zum Erfolgsalbum «Something To Give Each Other» hat Troye Sivan nun auch die Schweiz beglückt. Eine Aufgabe, die der 29-jährige Popstar problemlos gelöst hat.
Von Steffen Rüth und Josia Jourdan, Foto STUART WINECOFF
Neulich Mitte Mai, während er sich in London auf seine grosse «Something To Give Each Other»-Tournee vorbereitete, war Troye Sivan mal schnell für ein, zwei Tage in Cannes. Sass, sehr chic in Prada gewandet, auf einem Podium direkt am Meer, neben ihm ein braungebrannter und blendend aussehender Iggy Pop. Die beiden Sänger flachsten ein bisschen herum, Anlass für den Termin war die Präsentation von drei neuen Stieleis-Saisonkreationen – beide sind Markenbotschafter von Magnum.
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Troye stellte passenderweise zu diesem Anlass drei Remixe seiner aktuellen Single «Honey» vor, sie sollen zu den jeweiligen Schleckeis-Spielarten «Euphoria», «Wonder» und «Chill» passen.
Das könnten jetzt genauso gut auch die Namen von Ecstasy-Pillen oder Marihuana-Mischungen sein, doch diesen Gag lassen Sivan und Pop überraschenderweise liegen. Lieber schwärmen sie inmitten der Reichen, Schönen und Kreativen über das, was sie so anspornt in ihrem Dasein. «Die Freude am Leben als solche ist mein TroyeMotor», sagt Sivan lächend, als man ihn auf die Gemeinsamkeiten zwischen seiner Person und dem beworbenen Speiseeis anspricht. «Der Kern meines Seins ist der Genuss».
Iggy pflichtet dem knapp fünfzig Jahre jüngeren Kollegen bei. «Musik und das Meer sind die Dinge, die mir am meisten Freude bereiten», so die seit Jahrzehnten in Miami lebende Punkikone. Anschliessend schleckten die beiden noch ein bisschen.
Süsses ist Troyes Ding
Während Iggy eher als Taco-Liebhaber gilt, scheint Troye auch generell einen sehr süssen Zahn zu haben. In «One Of Your Girls», dem vielleicht stärksten und unwiderstehlichsten Song seines im vergangenen Spätsommer veröffentlichten Albums «Something To Give Each Other», erwähnt er die schwedische Schokoladenmarke Marabou, die er, so viel Ehrlichkeit müsse sein, wie er unlängst bekannte, zuvor noch nie probiert habe. Mittlerweile schon. Er goutiere das Produkt sehr, versichert Troye.
Lebensmittel aus der Schweiz, ganz gleich, ob süsse oder sonstige, kommen auf der neuen Platte bedauerlicherweise nicht zur Sprache, aber vielleicht steckte dem lieben Troye ja jemand rund um seinen Konzertbesuch in Zürich ein kleines Leckerli zu, es gibt selbstredend mehr als genug Auswahl.
«Manchmal gelingt es mir sogar, mich selbst sexy zu finden»
Foto Terrence O’Connor
Freilich ist der gerade 29 Jahre alt gewordene Sivan auch ohne die Aussicht auf Süsskram super drauf. «Ich amüsiere mich wirklich wahnsinnig auf dieser Tour», sagte er jüngst dem Gay-Magazin «Attitude». «Diese Show ist wirklich etwas ganz Besonderes», schwärmt er. «Etwas, das ich so noch nie gemacht habe. Es ist toller, als ich mir das in meinen wildesten Träumen ausgemalt habe.»
Troyes Durchbruch
Das Zeitalter des Troye Sivan bricht gerade so richtig an. Der Musiker, der in Südafrika zur Welt kam, in Perth aufwuchs und heute in Melbourne und Los Angeles lebt, gilt zwar gewiss nicht mehr als Newcomer – «Something To Give Each Other», im Spätsommer veröffentlicht, ist sein drittes Album, sofern man die traumatische Trennungs-EP «In a Dream» aus dem Jahr 2020 nicht mitzählt – und man kann getrost festhalten: 2024 ist sein bisher bestes Jahr. So räumte Sivan bei den australischen ARIA-Awards gleich vier Auszeichnungen ab, darunter die für den «Song des Jahres», die an seinen superschwulen Sommerhit «Rush» ging. Ausserdem gewann er in der Kategorie «Bester Solokünstler». «Rush», die erste Single aus dem aktuellen Album, war zudem für zwei Grammys nominiert, unter anderem als «Bestes Musikvideo». Was kaum verwundert, denn dieser nun ungefähr ein Jahr alte Clip hat für massives Aufsehen gesorgt.
Poppen mit Poppers
Troye hat das «Rush»-Video in Berlin gedreht, und wer es einmal gesehen hat, dem gehen diese vier hedonistischen und geilen Minuten nicht mehr aus dem Kopf. Der Song, der so heisst wie eine Sorte der enthemmenden Lustdroge Poppers, begleitet den Sänger bei einem Partywochenende in der deutschen Hauptstadt, man tanzt, feiert, fummelt und hat sehr viel Spass, und besonders jugendfrei ist das Filmchen bei all dem Schweiss, der offen ausgestellten Lust und den Glory Holes nun wahrlich nicht. Aber ein grossartiger Zuckerschock für alle Sinne, Uptempo-Pop mit Funk- und House-Elementen, «Rush» knallt auch ein Jahr später noch richtig gut. «Ich wollte Spass, Wärme und den Drang nach Freiheit darstellen. Mein Leben ist glücklicherweise von diesen Dingen geprägt, auch wenn ich solch wilde Nächte, wie sie hier gezeigt werden, nicht annähernd so häufig erlebe, wie ich es vielleicht gern möchte.»
Troyes Bodyshaming
An dem Tag, an dem sie das Video gedreht hatten, so Troye, «hat sich jeder heiss gefühlt.» Und weiter: «Meine Sexualität gibt mir Macht und Stärke. Menschen, die sich wohlfühlen in ihrem Körper, strahlen Selbstvertrauen und Sexyness aus.» Menschen wie er. Dabei hat Troye Sivan seinen Body durchaus nicht immer geliebt.
«Ich war oft irritiert über und unzufrieden mit meinem Körper. Mittlerweile habe ich ihn akzeptiert. Und manchmal gelingt es mir sogar, mich selbst sexy zu finden.»
Frustrierende Flirts mit Heteros
Das neue Selbstbewusstsein hört man seinen neuen Liedern an. Waren die früheren Platten noch etwas zurückhaltender, so geht Troye jetzt in jeder Hinsicht mutig aufs Ganze. «Honey», die neue Single mit den Eissorten, klingt nach glitzernder Discokugel, «Silly» ist eine im Falsett gesungene Deep-House-Nummer, doch der wohl stärkste Song ist die tolle Popnummer «One Of Your Girls». Hier lotet Troye quasi im Selbstgespräch die Chancen bei einem Heteromann aus, den er geil findet. Für ihn stürzt er sich sogar in einen Fummel. «Ich habe es schon einige Male erlebt, dass ein Mann, den ich für straight gehalten habe, plötzlich anfing, sich für mich zu interessieren und mit mir zu flirten. Einerseits finde ich das immer aufregend, andererseits endet es meist frustrierend, denn sobald es etwas mehr zur Sache geht, kommt dann so was wie «Sorry, Mann, ich bin doch nicht schwul».
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Eine schmerzhafte Trennung
Auch an der Trennung von seinem langjährigen Partner, dem Model und Regisseur Jacob Bixenman, hat er noch zu knabbern. In «Can’t Go Back, Baby» etwa singt die US-Indie-Künstlerin Jessica Pratt den Refrain wie ein Mantra, damit der liebeskranke Troye es endlich auch selbst einsieht, dass es kein Zurück gibt.
Troyes Lebenslust
Überwiegend aber strotzen die neuen Songs und die Live-Show vor Lebenslust und Energie. Troye Sivan, der als Inspiration für «Something To Give Each Other» Janet Jackson nennt, etabliert sich nun mit knapp 30 auch als eine der bedeutendsten Stimmen der LGBTQ-Bewegung. Nicht, dass er je mit seinem Schwulsein hinter dem Berg gehalten hätte. Troye Sivan, in Australien seit seiner Kindheit ein bekanntes TV-, Musik- und Filmgesicht («X-Men Origins: Wolverine») und später ein populärer Youtuber, outete sich als Teenager gegenüber Familie und Freunden. Schon auf seinem Debütalbum «Bloom» 2015 ging er offen mit seiner Sexualität um. «Etwas zu verheimlichen, kam mir nie in den Sinn. Es bedeutet mir viel, wenn die Menschen, vor allem die jungen Menschen, mir sagen, dass meine Musik ihnen durch harte Zeiten geholfen hat.»
In einem Popgeschäft, das momentan fast vollständig von grossartigen Frauen geprägt ist – Taylor Swift, Billie Eilish, Ariana Grande, Dua Lipa, Beyoncé und viele mehr – sticht Troye Sivan mehr denn je heraus. Nie war er wertvoller als heute.
«Die Schweiz fühlt sich wie ein Märchenbuch an»
Troye Sivan im DISPLAY-Interview.
Interview Josia Jourdan
Foto Luke Gilford
Troye Sivans Musik begleitet mich, seit ich vierzehn bin. Noch vor meinem Coming-out lief sein erstes Album rauf und runter. Damit bin ich längst nicht allein. Viele junge Gays der Generation Z sind mit Troye gross geworden und nun, zwei Alben und viele Jahre später, habe nicht nur ich eine Entwicklung durchgemacht, auch der Australische Cutie hat sich verändert. Aus dem jugendlichen Twink ist ein Mann geworden, der sich mit seinem dritten Studioalbum und der dazugehörigen Single «Rush» definitiv den Ikonenstatus in der Popwelt gesichert hat.
DISPLAY: Troye, deine Tour führte dich auch in die Schweiz, nach Zürich. Wie gefällt dir unser Land?
Troye Sivan: Die Schweiz fühlt sich wie ein Märchenbuch an. Als ich das letzte Mal in Zürich war, hatte ich meine Familie dabei, wir haben die Natur genossen und ich erinnere mich, wie wir gemeinsam auf einer Brücke sassen und ich mich für einen Moment zurücklehnen konnte, um die Schönheit aufzusaugen. In Europa auf Tour zu sein, ist wundervoll. Die Sommer hier sind anders und ich habe die Tour ganz bewusst so geplant, dass ich davon auch profitieren kann.
Die Pride und dein Konzert in Zürich fielen auf den gleichen Tag und unser ESC-Star Nemo hat performt. Konntest du dich unter die Menschen mischen?
Nemos Sieg ist auf jeden Fall legendär. Falls ich Zeit habe, werde ich mich auf jeden Fall versuchen, unter die Menge zu mischen (Anm. der Red.: Das Interview fand vor seinem Auftritt statt. In seiner sexy Show erwähnte Troye die Zürcher Pride mehrfach und bekundete die Absicht, nach dem Konzert in den Ausgang zu gehen. Diverse Pride-Besucher meldeten uns eine Troye-Sichtung).
Das heisst, du gehst als Star auch an öffentliche Orte?
Mir ist das wichtig. Ich möchte die richtige Welt sehen. Und ich versuche Zeit zu finden, mir auch die Orte anzuschauen, die ich besuche während meiner Auftritte. Gleichzeitig muss ich fit bleiben. Aber dafür gehört für mich eine Balance mit ganz gewöhnlichen Aktivitäten. Das kann ein Kaffee oder ein leckeres Abendessen sein – und wenn ich Lust zum Tanzen habe, bin ich auch für eine gute Party immer zu haben.
Welche Songs performst du auf der Tour besonders gerne?
«One of Your Girls» und «Rush» machen mir viel Spass, aber ich freue mich, das ganze Album zu präsentieren.
Du singst freizügig über Dating, Liebe und die Hookup-Kultur. Wünschst du dir für dein Privat-
leben, weniger berühmt zu sein?
Ich schätze reale Beziehungen. Egal ob das freundschaftliche, familiäre oder romantische Beziehungen sind, meine Arbeit und öffentliche Persona sollten da keine Rolle spielen. Manchmal ist es nicht so leicht, aber ich habe ein gutes Umfeld um mich und viele der Menschen, die ich kennenlerne, sind Freunde oder selbst Teil der kreativen Industrie. Darum weiss ich ehrlich gesagt nicht, ob ich jemals auf einem Date mit einer Person war, die keine Ahnung hatte, wer ich bin.
Was macht diese Europa-Tour besonders für dich?
Ein wichtiger Teil des Albums, sowie Musikvideos sind in Europa entstanden. Ich habe Zeit in Berlin und Barcelona verbracht und so viel Besonderes, Heisses erlebt. Diese Energie möchte ich gerne auch diesen Sommer spüren. Wir haben eine Show zusammengestellt, die alles übertrifft, was ich bisher gemacht habe. Es ist ein richtiges Spektakel! Und so sehr es dabei um mich und um dieses Album gehen soll, in das ich meine ganze Seele reingesteckt habe, möchte ich mit dieser Tour eben auch die Community feiern und Menschen zusammenbringen. Ich möchte sehen, wie Freunde gemeinsam feiern, sich Paare küssen, Singles flirten und wir nach der Show alle noch mehr Energie als davor haben.
Ich bin mit deiner Musik gross geworden. Was willst du uns mit deinen Songs mitgeben?
Ich bin extrem dankbar und glücklich, dass mich so viele Menschen schon so lange begleiten und habe das Gefühl, auf uns wartet noch viel. Ich hoffe, noch viele gemeinsame Momente durch Musik erleben zu können. Meine Botschaft lautet: Leb dich aus!
Schnelle Fragen an Troye
Was ist dein Lieblingsbuch?
Giovannis Room von James Baldwin.
Welchen Duft trägst du am liebsten?
Das ist definitiv einer meiner eigenen von TSU LANGE YOR, der Signature Scent.
Mit wem feierst du am liebsten?
Mit Carrie, meiner Kindheitsfreundin. Wir kennen uns, seit wir vier sind.
Wo bist du am liebsten: In Los Angeles, Europa oder Australien?
Es kommt darauf an wofür, aber Australien ist definitiv dort, wo ich mich zu Hause fühle.
Wie sieht dein perfektes Date aus?
Ein früher Start so gegen 18 Uhr, Sonnenuntergang geniessen, ein paar Bier in einem Park und dann schauen, in welche Richtung sich der Abend entwickelt.