Von den Bergen zum Meer

Da sitze ich nun bei strahlendem Sonnenschein und einem Drink im Zentrum von Monfalcone an der italienischen Adria. Mit feinem Fisch, einer kurzen Erfrischung im Meer und einem Gelato schliesse ich heute meine Slowenien-Veloreise über die imposanten Berge des Triglav-Nationalparks, das majestätische Soca-Tal und die «slowenische Toskana» bis hin zur Mittelmeerküste ab.

Von Mathias Steger

Aber nun der Reihe nach. Kurioserweise beginnt und endet mein Slowenien-Trip in Italien. Bei meiner Veloreise über ca. 300 Kilometer überquere ich gleich mehrere Male die slowenisch-italienische Grenze. Nachdem ich meine Reise in Tarvisio am Dreiländereck Österreich, Slowenien, Italien starte, lege ich bei den zwei Bergseen Laghi di Fusino einen ersten Halt ein, um mich von der wunderschönen Bergkulisse bezaubern zu lassen. Bei einer abgelegenen Felswand erblicke ich ein Reh und finde den perfekten Spot, um die letzten Sonnenstrahlen ganz ungestört zu geniessen. Wenige Minuten später bin ich bereits in Slowenien.

An der Grenze zwischen Slowenien und Italien zwischen Tarvisio und Kranjska Gora.

Teilweise erfolgt die Grenzüberquerung sogar unbemerkt, etwa im Ort Miren am Fluss Vipava, wo im Waldweg nicht einmal signalisiert ist, dass man gerade das Land wechselt. Oder in Gorizia, wo die Grenze mitten durch den Ort führt. War die Stadt in der österreichisch-ungarischen Monarchie vereint, so fiel sie danach an Italien und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auseinandergerissen und zwischen Italien und Jugoslawien in Gorizia und Nova Gorica aufgeteilt. Heute ist nur noch wenig von der Grenze zu spüren. Schön zu sehen, dass Grenzen verschwimmen können.

Abfahrt am Jasna-See in Kranjska Gora in Richtung Vrsic -Pass.
→ Der Weg ist steinig… und schön. Imposante Berge der Julischen Alpen.

Wie ich hier nun so sitze, lasse ich meine Reise Revue passieren. Sie hat zwar nur ein paar Tage gedauert, aber dennoch habe ich so viel erlebt und gesehen. «Slowenien ist deshalb so einzigartig, weil wir ein kleines Land sind und dennoch so eine vielfältige Natur haben», schwärmt mir der Rezeptionist in meiner Unterkunft in Kranjska Gora über sein Land vor. Davon konnte ich mich in den letzten Tagen wahrhaft überzeugen. Wobei ich mir nicht sicher bin, was mich am meisten beeindruckt hat. Waren es die mächtigen Berge der Julischen Alpen rund um Kranjska Gora, die beim Radeln über den Vršič-Pass bis auf eine Höhe von über 1’600 mein ständiger Begleiter waren? Besonders in Erinnerungen bleiben mir dabei der Weitblick vom Pass aus, die schroffen Felswände und die schneebedeckten Gipfel. Dazu die abenteuerlichen Mountainbike-Wege durch Wälder und am Wasser entlang und die typisch slowenische Architektur mit den steilen Giebeldächern und dem vielen Holz.

Typisch slowenische Architektur mit viel Holz und breiten Giebeldächern.
Bald ist die Passhöhe erreicht.
Ankunft auf dem Vršič-Pass auf mehr als 1600 Meter Höhe.

Oder war doch die Soča die wahre Protagonistin meiner Reise? Als ich nach der Überquerung des Vršič-Passes den Fluss zum ersten Mal erblicke, bleibt mir der Mund offen – so unglaublich schön türkisblau und kristallklar ist sein Wasser. Ich beobachte die Soča – auf Italienisch auf Deutsch trägt sie den Namen Isonzo – ständig auf meiner Fahrt und bin erstaunt, wie sie sich stets verändert und an die Landschaft anpasst. Mal ist sie wild und rau, mal seicht und ruhig, an einigen Orten ist sie schmal, dann breitet sie sich wieder über das ganze Tal aus. Über einen langen Abschnitt ist sie ideal zum Raften, an anderen Stellen lädt sie zum Fischen oder zu einem Sprung ins – kalte – Wasser ein. Durch die Kraft der Soča haben sich im Wasser ganz besondere Steinformationen mit riesigen Felsbrocken, Schluchten und spektakulären Wassertrögen gebildet. Auf einigen der zahlreichen Hängebrücken überquere ich den Fluss und gebe mich ganz dem Rauschen des Wassers und der Farbenpracht der Natur hin. Am meisten jedoch beeindruckt mich der Fluss von weit oben, nachdem ich einige Hundert Höhenmeter hinaufregeradelt bin und sehe, wie sie sich in ihrem glänzenden Blau durch die Orte schlängelt und sich zur Königin des gesamten Tals macht.

Der Fluss Soča mit seinem türkisblauen und kristallklaren Wasser ist die wahre Heldin der Reise. Er lädt zu unzähligen Sportaktivitäten wie Rafting oder Canyoning oder auch zu einem kühlen Bad ein.

So schön die Landschaft auch ist – während meiner Fahrt werde ich auch mit der teils traurigen Geschichte der Region konfrontiert. Viele Orte an der Soča sind eng mit dem Ersten Weltkrieg und dem Kampf zwischen dem damaligen Österreich-Ungarn und dem Königreich Italien verbunden und waren Schauplätze schrecklicher kriegerischer Auseinandersetzungen. So stimmt es mich nachdenklich, als ich bei der Fahrt zum Vršič-Pass eine Kapelle erblicke, welche den gefangenen russischen Soldaten gewidmet ist, die beim Bau der Pass-Strasse verunglückt sind, und denke an der Soča ehrfürchtig an die vielen Gefallenen bei den Isonzo-Schlachten. Auch die Unabhängigkeitskrieg von Slowenien – das Land ist erst seit 1991 selbständig – wird mir bei Gedenktafeln und einer grossen Gedenkstätte in Erinnerungen gerufen.

↑ Ein Fischer an der Soča wartet, bis die nächste Forelle anbeisst.
Sonnenuntergang hoch über Kobarid im Soča -Tal.
Die Hügel und Berge im Westen Sloweniens eignen sich hervorragend zum Biken.

Auch die Menschen, die ich während meiner Reise beobachten und kennenlernen durfte, haben meine Reise einzigartig gemacht. Etwa die drei Biker aus Italien, die mich am Gebirgskamm Kolovrat direkt an der Grenze zwischen Italien und Slowenien dazu einladen, spontan einen Teil der Route mit ihnen zu fahren. Oder die Grossmutter bei meiner Unterkunft im winzigen Ort Koseč hoch über Kobarid, die mit viel Leidenschaft die Gäste bekocht und mit hausgemachten Spezialitäten verwöhnt. Natürlich schmeckt die von ihr zubereitete Soča-Forelle hervorragend. Vom krähenden Hahn, den Kirchenglocken und den singenden Vögeln werde ich am Morgen danach gerne geweckt. Schliesslich der Weinbauer Peter im kleinen Ort Dornberk im Vipava-Tal, bei dem seine Begeisterung buchstäblich zu hören ist, wenn er über seine eigenen Weine erzählt. In seinem Weinkeller lässt er mich einige seiner edlen Tropfen probieren und hat zu jedem Fass eine Geschichte parat. Zudem beobachte ich unterwegs häufig Menschen, die voller Freude ihre Gärten zu einem wahrhaften Naturparadies machen.

Erster Anblick auf Goriška Brda, die «Toskana Sloweniens» 
↑Es ist gerade Kirschenzeit und so gibt es Kirschkuchen bei einem imposanten Panorama.

Nachdem ich das Soča-Tal verlasse, wird es milder und die Landschaft hügeliger. Mediterranes Flair macht sich breit. Ich komme in Goriška Brda an. Die vielen Weinreben, die Olivenbäume und die idyllischen mittelalterlichen Städtchen auf den Hügeln mit ihren kleinen Burgen und Kirchen versprühen südliches Flair und so gebe ich der Region den Namen «Toskana von Slowenien». Gerade hat die Kirschernte begonnen und so gibt es für mich in einer typischen slowenischen Gostilna Kirschkuchen – das bei perfektem Panorama auf die Weinberge.

↑ Wein gibt es hier wahrhaft genug. Dazu natürlich auch kulinarische Köstlichkeiten…
Peter vom Weingut Domačija Lisjak 1956 erzählt voller Leidenschaft über seine Weine und lädt zu einer Degustation ein.

Letzter Höhepunkt der Reise ist der erste Blick auf das Meer und dann die Ankunft an der Küste. So wie die Soča in die Adria mündet, schliesse auch ich dort meine Veloreise ab. War ich in den letzten Tagen viele Höhenmeter auf und ab gefahren, so ist jetzt alles flach und dominiert der Horizont des Meeres die Landschaft.

↑ Ankunft an der italienischen Adriaküste.
Krönender Abschluss der Reise mit Fisch und Aperol Spritz direkt an der Küste in Monfalcone in Italien.

In Dankbarkeit stelle ich fest, was man alles in nur wenigen Tagen mit dem Velo erleben kann. Mit vielen schönen Erinnerungen im Kopf nehme ich den letzten Schluck meines Aperol Spritz und bin bereit für die Heimreise mit dem Zug. Ich freue mich auf mein nächstes Velo-Abenteuer.

Einige kulinarische Highlights: Eine frisch gefangene Soča-Forelle in der Unterkunft Turistična Kmetija Kranjc und Antipasta mit vielen Zutaten aus dem eigenen Garten im Weingut Domačija Lisjak 1956 im Vpava-Tal.

Übrigens: Slowenien gilt im Vergleich zu vielen seiner Nachbarn als sehr offenes und tolerantes Land. So ist dort seit 2023 die Ehe für alle möglich. Zudem hat das Land gerade anlässlich des Welttages gegen Homophobie, Transphobie und Biphobie eine Erklärung der EU unterzeichnet, die zur Umsetzung einer nationalen Strategie für LGBTQIA+-Personen verpflichtet. 

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