Was steckt hinter der Fassade des Thomas Mann?

Sebastian Schneider über seine Rolle im Film «Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann» und die homosexuelle Seite des grossen Autors.

 

Von Dieter Osswald

Der Schauspieler, Jahrgang 1991, lernte sein Handwerk an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst «Ernst Busch». Sebastian Schneider spielt Theater in Bern, Berlin, München und Leipzig. Im Fernsehen ist er regelmässig in Krimi-Serien zu sehen, sowie in der Episode «Coming Out» von «Marie fängt Feuer». An der Seite von Emilio Sakraya und Til Schweiger spielte er in «Die Rettung der uns bekannten Welt».

Nun kommt Sebastian Schneider als Thomas Mann in der Biografie «Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann» in die Kinos. Das Kaleidoskop aus Originalzitaten und fiktionalen Szenen versteht sich als Hommage an den Menschen hinter dem Mythos Thomas Mann.

DISPLAY: Herr Schneider, an einer Stelle heisst es: «Ich leide sehr. Weiss auch, dass ich falsch lebe.» War Mann ein unglücklicher Schwuler, der seine Identität versteckte?

Sebastian Schneider: Dieser Tagebucheintrag steht im Kontext seiner Arbeit am Felix Krull. Mann beklagt sich darüber, dass er nicht weiss, wie er neue Arbeit finden soll, und befürchtet, dass der Roman eine Blamage wird. Mich berührt es, dass er in seinem Tagebuch Unsicherheit und Fehlbarkeit zulässt.

Diesen Themen widmen wir uns auch im Film – und dem Gefühl, sich verstecken zu müssen, ein Geheimnis vor der Welt zu haben, vorzugeben, jemand anderer zu sein. Die Frage, wie viel gebe ich von meiner Identität preis, ist ja eine zentrale Frage im Leben queerer Menschen.

Was hat Sie an Thomas Mann interessiert?

Die Widersprüchlichkeit seiner Person, diese grossbürgerliche Fassade, die er nach aussen aufrechterhielt – und die Frage: Was ist dahinter? Während der Arbeit am Film konnten wir sehr viel von diesem «Dahinter» entdecken, das hat mich fasziniert.

Gibt es Schnittmengen zwischen Thomas Mann und seinem Darsteller Sebastian Schneider? 

Thomas Mann war jemand, der sehr eng mit seiner eigenen Arbeit verbunden war, sich mit ihr identifizierte, aber immer wieder mit Zweifeln konfrontiert wurde. Und das ist auf jeden Fall etwas, das ich auch kenne. Da habe ich mich ihm nahe gefühlt.

«Queer»-Regisseur Luca Guadagnino möchte als Nächstes «Die Buddenbrooks» verfilmen. Was soll die Leute heute noch an Mann interessieren?

Seine grossartigen Geschichten. Er war ein so genauer Beobachter der Menschen, ihres Verhaltens und ihres Zusammenlebens. Mich wundert eher, dass Luca Guadagnino erst jetzt darauf kommt, «Die Buddenbrooks» zu verfilmen.

Was soll das Publikum aus dem Film mitnehmen?

Ich hoffe, dass sie mit einem neuen Verständnis für Manns Leben und Werk nach Hause gehen und einen kleinen Wow-Effekt erleben. So ging es mir, als ich das erste Mal das Drehbuch gelesen habe. Und ich denke, dass unsere Perspektive auf Thomas Mann eine Nähe schaffen kann zu jemandem, der ein grosser Meister der Distanz war.   

 

Thomas Mann arbeitete täglich diszipliniert nach Stundenplan an seinen Texten.


Der Film

Zum 150. Geburtstag von Thomas Mann kommt der dokumentarisch-fiktive Kinofilm «Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann» in die Kinos. Die Filmbiografie wirft einen Blick hinter die Fassade des gefeierten Erzählers und gleichzeitig in die schillernde Welt seines literarischen Alter Egos Felix Krull.  

Während Krull wie ein Magnet die Elite anzieht, täuscht, verführt und sich als erfolgreicher Hochstapler inszeniert, ringt Thomas Mann mit seinen inneren Konflikten: er sehnt sich nach Anerkennung, verbirgt seine wahre Identität und ist stets bemüht, die Rolle des untadeligen Familienvaters zu spielen. 

Die ineinander verschlungenen Lebenswege von Mann und Krull verweben sich zu einer fesselnden Reise durch Exil, Selbstinszenierung und die bittersüsse Kunst des Verstellens.

Mit einer Mischung aus Filmdokumenten, Spielszenen und Passagen aus Tagebüchern und Romanen – gelesen von Thomas Mann – ergründet der Film die Doppelwelt des Autors und die persönliche Bedeutung des «homosexuellen Untergrunds» (Erika Mann) seines Werks. Zwischen Lübeck, Lissabon und Hollywood entfaltet sich die Geschichte von Manns Flucht vor dem Nationalsozialismus und seiner Rückkehr nach Europa.